Radegast


Radegast

  

"Radegast" - ein Flüsschen oder eine Gottheit der Slawen? Radegast - Petermännchen - Martensmann: Zusammenhänge?

Dieses Plätschern hört man in 50 m Entfernung von der Radegast-Quelle. Weitere Kurz-Videos weiter unten.

Eine kleine Andacht vorweg 



Liebe Glaubensgenossen, liebe Anhänger an den
einen, einzigen und unsichtbaren Gott …

Liebe Gemeindeglieder unserer verbundenen Kirchgemeinden, ich könnte die Anrede-Überschrift noch lange erweitern (an den dreieinigen Gott, Jahwe …), aber was soll das wohl. Wenn von Gott gesprochen wird, dann wissen wir schon, um welchen Gott es geht. Schließlich gibt es ja nur einen – und an den zu glauben, das ist schon schwer genug, so ganz ohne Beweise, so ganz ohne Beschreibung. Nun, immerhin nehmen wir an, dass er etwas mit Liebe zu tun hat, mit Mitmenschlichkeit, mit Gnade, mit Nähe … Das alles wissen wir, weil wir ihn durch / mittels Jesus von Nazareth erkennen. Und wir erkennen die Züge Gottes in der Heiligen Schrift. Oder vielleicht doch nicht? Wer sich intensiv mit der Bibel beschäftigt, der erfährt, dass das, was die Menschen über unseren Gott dachten, einer ständigen Veränderung unterlag, dass Jahwe wahrscheinlich einst ein Berg-Gott einer bestimmten Gegend war, dann ein sozusagen privater Stammesgott eines Halbnomadenstammes, oft ein zorniger Kriegsgott, dem im Psalmgebet angetragen wurde selbst die kleinen Kinder des befeindeten Stammes an den Felsen zu zerschmettern. Kurz: es war ein langer und mühsamer Weg, unseren Gott, an den wir glauben, als den universalen Gott der Liebe zu erkennen. Und es ist ein mühsamer Weg eines jeden Christen, Juden, Moslem usw. einen guten Glauben (an einen Gott) ( – ich setze das Wort „Gott“ hier mal in Klammern, weil es äußerst religiös ist und damit viele Leute verschreckt; letztendlich fällt aber niemandem ein anderes Wort dafür ein) zu entwickeln, der einem selber und allem Leben rundherum wohlgesonnen und hilfreich wirksam ist.

Na, da haben wir es doch auf eine Art recht leicht, einen guten Glauben zu entfalten, wenngleich auch wir daran ein Leben lang zu denken, zu knabbern und oft auch zu grübeln haben. Das mit der Kreuzigung, das mit dem dreieinigen Gott, dazu so viele märchenhafte biblische Geschichten …! Aber den lieben Gott und den liebenden Jesus. Das verstehen wir irgendwie instinktiv – ja, eigentlich müsste die Welt so liebevoll sein!
Im Namen unseres liebenden Gottes wurden im Frühsommer dieses Jahres (2008) fünf Kinder getauft. Eine schöne Begebenheit und eine schöne Zahl. Doch das Besondere: die Kinder wurden mit Wasser aus der Radegast getauft. Oberflächlich betrachtet war es ganz normales und sauberes Flusswasser. Jedoch hat es eine besondere Bewandtnis mit der Radegast. Schon im Sommer 2007 wurden drei junge Erwachsene nicht nur mit dem Wasser, sondern in dem Wasser der Radegast getauft. Recht lange schon war mir bekannt, dass dieses Flüsschen den selben Namen trägt wie der einstige Obergott und Kriegsgott der Menschen, die vormals hier siedelten. Auch in Legenden und Bräuchen unserer Gegend spielt der Slawengott Radegast eine bedeutende Rolle und vermischt sich gerne mit dem Martensmann und dem Schweriner Petermännchen. Dies veranlasste mich, mal genauer zu recherchieren, was es mit RADEGAST so auf sich hat. Ein Slawengott, der eine sehr interessante Entwicklung erfahren hat, ein Gott der Liebe konnte er nicht werden. Dafür drang der christliche Glaube hierzulande dann doch zu schnell und sicherlich zu rabiat ein.

Was bleibt? Ein hoffentlich christlich getragenes Deutschland – und solche Feste wie das demnächst stattfindende Martensmannfest, welches solch alte Götter wie „unseren“ RADEGAST weiterleben lässt.
Sicherlich ist das alles für Sie, liebe Gemeindeglieder, bis an diese Stelle noch dunkles Gemunkel. Aber lesen Sie selbst, was mir zu diesem Thema so alles auf den Schreibtisch gefallen ist.

Die Quelle zwischen Gadebusch und Wakenstädt



Radegast – Historisches und Legendäres eines Slawengottes


1. Vorbemerkungen

2. Die Slawen

3. Die slawische Gottheit Radegast

4. Radegast, Petermännchen und Martensmann

5. Nachbemerkungen


1. Vorbemerkungen

Wer in unserer Gegend Rehna / Gadebusch wohnt, dem begegnet zwangsläufig immer wieder der etwas unheimlich klingende Name Radegast. Zunächst ist da unser 24 km kurzes Flüsschen, welches in zwei Quellen östlich und westlich des gleichnamigen Dörfchens bei Krembz entspringt. Es schlängelt sich mäanderreich durch Gadebusch über Rehna nach Börzow und mündet dann in die Stepenitz, bevor beide vereint die Ostsee erreichen.

                                Dassower See, Brackwasser, hier ist die Mündung                                                                                                                                                          In Gadebusch durchfließt sie den Neddersee, in Rehna wurde sie schon gegen 1150 zum Mühlenteich angestaut. Hier ein paar Bilder von unserem Flüsschen.







Ein Naturlehrpfad erstreckt sich von der Quelle entlang ein paar Kilometer entlang des Oberlaufes. Einige interessante Schautafeln erklären u.a. die Quelle, die Pflanzen- und die Tierwelt. Man findet den Lehrpfad, wenn man hinter der Tankstelle an der B 104 nach Wakenstädt einbiegt; nach wenigen hundert Metern ist links die 1. Schautafel zu sehen; wenn man in die Richtung weitergeht, erreicht man nach 10 - 15 min die Quelle.




Immer wieder münden Nebenquellen in das kleine, saubere Flüsschen. Das Wasser ist von ausgezeichneter Qualität.









Ein Nebenbächlein gesellt sich dazu.








In zahllosen Mäandern schlängelt sich die Radegast durchs Land, hier bei Holdorf.
Als Ortsname kommt Radegast nicht nur im eben genannten Dorf vor, sondern als Kleinstadt in Sachsen Anhalt, als Ortsteil der Stadt Dahlen in Sachsen, als Ortsteil von Bleckede im Landkreis Lüneburg und als Dörfchen bei Satow in der Nähe von Bad Doberan. Auch als Personennamen tritt Radegast natürlich auf; zu einer gewissen Berühmtheit brachte es der Lehrer, Schriftsteller und Verlagslektor Wolfgang Rohner-Radegast (1920-2002).
Schließlich und ursprünglich ist Radegast eine slawische Gottheit. Um diese soll es in meinem Aufsatz nun auch gehen. Um die Bedeutung dieses Gottes deutlich zu machen, möchte ich zuvor einen kurzen Überblick über die Siedlungsgeschichte der Slawen vermitteln, welche ja dann von den Deutschen verdrängt wurden bzw. sich mit ihnen vermischten.

2. Das Volk der Slawen
Slawen: wohl von „Slowo“ – das Wort / oder von „Slawa“ – der Ruhm / oder vom slawischen Stamm „Slo“- „Sla“ – für Wasser, d.h. „Menschen vom Wasser“
Die Slawen sind neben den Germanen und den Romanen eine der Hauptgruppen der indoeuropäischen Sprachfamilie, vor allem in Osteuropa. Staaten mit mehrheitlich slawischer Bevölkerung sind Russland, die Ukraine, Weißrussland, Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien, Montenegro, ehem. jugoslawische Republik, Mazedonien und Bulgarien. In Deutschland gibt es die slawische Minderheit der Sorben in der Lausitz.
In der Zeit der Völkerwanderung besiedelten die sogenannten Elb- und Ostseeslawen ab dem 6. Jahrhundert auch unser Gebiet: nördlich von Lübeck die Wagrier, im Bereich Wismar / Schwerin die Obotriten (somit auch das Gebiet Gadebusch / Rehna; die Stepenitz als westliche Grenze) und mit Hauptburg in Ratzeburg die Polaben.
Das Volk der Slawen lebte in kleinen Walddörfern. Sie ernährten sich von der Jagd und vom Fischfang, betrieben Ackerbau und Viehzucht, unternahmen auch Beutezüge in deutsche und dänische Gebiete einschließlich Seeräuberei. Sie wurden von Historikern immer wieder als friedliebend, gastfreundlich und sangesfreudig geschildert.
Nachdem die Germanen bis zum 5./6. Jahrhundert Mecklenburg so gut wie bevölkerungsleer hinterlassen hatten, siedelte dieses Volk, (in Sippen und Stämmen untergliedert, etwa 400 Jahre lang ungestört in unseren Breiten.
Von Natur aus kein kriegerisches Volk, richteten sie ihr Bestreben ledglich auf Erhaltung des Besitztes; zum Schutz desselben dienten hölzerne Befestigungen („grad“). Die Einwohner eines Ortes bildeten eine blutsverwandte Sippe, deren Mitglieder einen gemeinsamen Namen trugen, gemeinschaftliches Gut bewaßen und unter einem gewählten Ältesten standen. Aus mehreren solchen Sippen bildete sich der Stamm, an dessen Spitze das Stammesoberhaupt (Anführer im Krieg) stand. Die Religion war, wie bei den übrigen Indoeuropäern, eine Naturreligion. In den Naturerscheinungen, besonders den Phänomenen des Himmels, sah der Slawe wirkliche Wesen, wohltätige und zerstörerische. Sie verehrten einen höchsten Gott, den Urheber des Himmels und der Erde, des Lichts und des Gewitters, sein Name war Swarog (der Glänzende). Seine Söhne waren die Sonne und das Feuer. Der Sonnengott (Daschborg, Dazbog, Dabog)) war auch Kriegsgott, bei den Elb- und Ostseeslawen bekam er später den Namen Radegast (auch Radigast oder Radigost). Daneben existierten zahlreiche weitere Götter; als mythologische Wesen niederen Rangen gab es die Wilen und Rusalken, Haus- und Feldgeister. Die Gunst der Götter und deren Schutz suchten die Slawen durch Gebet und Opfer zu erlangen. Letztere bestanden im Verbrennen von Rindern und Schafen auf Bergen und in heiligen Hainen, wo sich auch Götterbilder befanden. Vereinzelt gab es Tempel mit Priestern. Ansonsten oblag den Stammesältesten die Ausübung des Kultes. Wichtige Feste waren Winter- und Sommersonnenwende. Die Slawen glaubten an die Unsterblichkeit der Seele, welche nach dem Tod in ein als schöne Wiese gedachtes Paradies kommt.

Auf dem Reichstag in Goslar erhielt 1154 Heinrich der Löwe von Kaiser Friedrich I, Barbarossa die Vollmacht „im ganzen Lande der Slawen, soweit er selbst oder seine Vorfahren es mit dem Schwerte und nach Kriegsrecht unterworfen hatten, Bistümer zu gründen, zu verleihen und zu bestätigen“. Damit war die politische Voraussetzung geschaffen, die betreffenden slawischen Gebiete ins sächsische Herrschaftsgebiet einzugliedern. Dieses wurde sowohl mit kriegerischen als auch mit politischen Mitteln nach und nach vollständig erreicht. Von der slawischen Sprache rutschte nichts ins Plattdeutsche, auch die ohnehin wenig entwickelten wirtschaftlichen und kulturellen slawischen Dinge und Gegebenheiten fanden keine Fortsetzung in der Zukunft.
Nur noch zahlreiche Orts. Flur- und Familiennamen sind slawischen Ursprungs, gut zu erkennen an den Endungen „in“ (Benzin, Gammelin …) und etwas jünger „ow“ (Bülow, Carlow …). Letztere Endung zeigt auch deutlich die Verbindung zu den o.g. slawischen Orts. und Familiennamen in Osteuropa, die dort bekanntlich in „ow“, owa, „ov“ und „ova“, „ev“ … vorkommt. Die Slawen wurden landläufig auch Wenden genannt (Niederschlag in Ortnamen wie Wendorf, Wedendorf, Wendisch Waren).

Zurück zum Eindringen der Deutschen in Mecklenburg. Nachdem sie die Überhand gewonnen hatten, machten sie sich im ganzen Land breit. Sie brachten manch nützliche Neuerung mit. Die hölzernen Pflüge ersetzten sie durch Eisenpflüge. Von nun an konnte man auch den schwereren und fruchtbareren Boden bearbeiten. Statt mit Holz und Lehm bauten sie mit Ziegelsteinen (zunächst die Kirchen und Klöster); die Häuser waren so haltbarer und wärmer. Unbarmherzig aber rotteten sie alles aus, was ihrer Lebensart widersprach; und sie taten es im Namen des barmherzigen Christengottes.
Nachdem immer wieder christliche Priester die Bekehrung der sogenannten Heiden versucht hatten, siegte die Gewalt letztendlich und die Slawen wurden christianisiert.


3.Die slawische Gottheit Radegast
Wie schon im vorigen Abschnitt gesagt, war Radegast der Sohn des obersten Slawengottes Swarog. Er war der Sonnen- und Kriegsgott und hieß ehemals Svarozic (ausgesprochen Swaroschitsch), dieser Name kann mit „Sohn des Svarog“ übersetzt werden. Bei den Elb- und Ostseeslawen ist er der erste namentlich bekannte Gott. Später nimmt er dort den Namen Radegast (auch Roswodiz) an. Allgemein galt er bei den Wenden, als Gott der Ehre und der Stärke. Sein Name bedeutet „Anführer im Krieg“;Hlawaradze, wie er auch noch heißt bezeichnet ihn als höchsten Ratgeber; weiterhin führt er den Beinamen Zirnitra = zauberkräftig. Das Wort radi bedeutet in der altslwischen Sprache Fröhlichkeit und Lebenslust.
Über sein Aussehen wissen wir eigentlich nichts. Die „Prillwitzer Fälschungen“ aus dem Jahre 1768 der Neubrandenburger Familie Sponholz (Pfandleihhaus und Goldschmiederei), eine Sammlung von angeblich bei Prillwitz (Südufer des Tollensesee) gefundenen kleineren Bronzefiguren, zeigt Radegast als jugendlichen Krieger, einen Stierkopf vor der Brust, einen Schwan mit ausgebreiteten Schwingen auf dem lockigen Haupt und mit einer Kriegslanze in der Hand. So jedenfalls die Beschreibung in Vollmer’s Lexikon „Mythologie aller Völker“, Stuttgart 1874. Die Prillwitzer „Idole“, auch spöttisch „Püppchen“ genannt, sind heute meines Wissens im Besitz des Freilichtmuseums Schwerin / Mueß. Diese Jahrhundertfälschung, 1850 vom Altertumsforscher Friedrich Lisch enttarnt, ist in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel schriftlich dokumentiert.


Prillwitzer Idol des Radegast
Bei der tschechischen Stadt Nosovice gibt es auf einem Berg eine meterhohe Radegast-Statue, die einem Monster ähnelt. Woher die Inspiration für diese Statue stammt, ist mir nicht bekannt; ich gehe von der Fantasie des Künstlers aus.



 Slawische Gottheiten wurden in der Regel mehrköpfig dargestellt; folgende Bilder, die slawische Gottheiten darstellen wollen, fand ich:




 Ursprünglich eine zentrale Gottheit wurde er mit der Zeit einem Lokal- und Stammesgott. Er wird zu Beginn des 11. Jahrhunderts von Bruno von Querfurt und Thietmar als in der Burg Radegost (Riedigost) in Mecklenburg verehrter Gott der Redarier erwähnt. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts beschreibt Adam von Bremen einen auf einer Inselburg gelegenen Tempel dieses Gottes. Die Burg habe neun Tore und sei nur durch eine Holzbrücke mit dem Festland verbunden. Der Holztempel sei mehreren Göttern, vor allem aber dem Hauptgott Redigast geweiht. Er soll auf Tierhörnern gestanden haben und reich mit geschnitzten Symbolen verziert gewesen sein.Diese Kultstätte befand sich wahrscheinlich im ehemaligen Ort Rethra am Südufer des Tollensesees in Mecklenburg-Strelitz. Dort soll auch seine vergoldete Statue gestanden haben. Ausgrabungen haben bislang leider keine positiven Ergebnisse gehabt.
Radegast wurde der oberste Gott der Obotriten. Wahrscheinlich jedoch wurde er auch in anderen Stämmen verehrt, belegt ist sein Kult bespielsweise auch für Arcona auf Rügen. Über den Kult ist bekannt, dass diesem Gott Tier- und auch Menschenopfer dargebracht wurden. Ein besonders großes Pferd und ein Eber, der sich im Schlamm des Sees suhlte, wurden als Orakeltiere gebraucht.
Im Jahre 1066 wurde Radegast in seinem Heiligtum der Kopf des Bischofs Johannes von Marienburg (heute Malbork, Polen) geopfert. Zwei Jahre darauf wurde der Tempel zerstört. Die Legende berichtet, dass eines Tages der slawische Königssohn heimlich zum Tempel des Radegast schlich, um seinem Gott zu huldigen. War es auch bei Todesstrafe verboten, das Gebäude zu betreten, so wollte doch wenigsten in der Nähe der heiligen Stätte sein. Da hörte er aus dem Tempelinnern Lärm. Holz splitterte und krachte. Der Prinz, alle Vorsicht vergessend, eilte in den Tempel Böses ahnend. Entsetzt sah er, wie ein christlicher Priester die Statue des Gottes zertrümmerte. Da wurden Zorn und Verzweiflung in ihm so übermächtig, dass er sein Schwert ergriff und auf den Priester einschlug. Bevor dieser die Augen für immer schloss, stieß er einen Fluch aus:
- aber damit sind wir im nächsten Kapitel gelandet.


4. Radegast, Petermännchen und Martensmann

Der Königssohn solle sich in die Gestalt eines hässlichen Zwerges verwandeln. Von seinem ewigen geisterhaften Leben könne er nur dann erlöst werden, wenn ein Christensohn sein Schwert von den Blutflecken befreite. Im selben Augenblick, als die Augen des Priesters brachen, verwandelte sich der Prinz in einen missgestalteten Zwerg. Die Blutflecken auf seinem Schwert aber wurden zu Rost. So sehr sich der Zwerg auch mühte, so gewaltig er auch am Schwert rieb, die Rostflecken ließen sich auf keine Weise entfernen. Als Geist lebt nun der verwunschene Prinz seit vielen hundert Jahren auf der Burginsel seiner Väter im Schweriner See und wartet auf einen unschuldigen Christensohn, der ihn zu erlösen vermag. So mancher mühte sich ernsthaft darum; bis zum heutigen Tage ist es jedoch noch niemandem gelungen, das Petermännchen, wie man den zum Schlossgeist gewordenen Zwerg nannte, zu erlösen. (nach Erika Borchhardt aus ihrem Buch „Petermännchen – Der verwunschene Prinz“).
Die Legende, deren Schluss ich hier wiedergegeben habe, spiegelt Elemente des Widerstandes der Slawen gegen die Deutschen und erinnert an einen der größten und dem letzten freien Slawenführer Niklot und an seine Söhne Pribislaw (der Prinz in der Legende) und Wertislaw, die auf der Insel im Schweriner See eine Burg hatten.
Es gibt mehrere Sagen, die beinhalten, dass das Petermännchen ursprünglich ein Königssohn war. Möglicher Weise und sogar sehr wahrscheinlich sind slawische und deutsche Sagenkränze miteinander vermischt worden. Der große Mecklenburgforscher Wossidlo deutet einige Petermännchen-Sagen auch so, dass das Petermännchen der in einen Kobold verwandelte Gott Radegast selbst ist, zurückgeblieben, um den heiligen Schatz der Obotriten und die Angehörigen des Volkes zu schützen. Dieses sieht Wossidlo ebenfalls in dem Martensmann-Brauch, der bis 1805 durchgängig fortbestand (und nun ja wieder aufgelebt ist, allerdings ohne mythologischen Überbau).
„Diese Vermischung der Quellen für die Sagenfigur erscheint auch in den Motiven wieder, die die Erlösungsarten des verwunschenen Prinzen oder verwandelten Geistes ausdrücken. Da finden sich Spuren des Glaubens an einen Lichtgott und an Blutopfer ebenso wie Reflexe auf blutige Gegenwehr der Slawen gegen die deutschen Eroberer.“ (E. Borchhardt)

Ich zitiere nun einen Artikel von Pastor Preß, der alten Rehnern noch persönlich bekannt war. Der Artikel erschien in der „Mecklenburger Post / Rehnaer Zeitung“ Nr. 152, am Heilig Tag 1932:
Was wollte der „Martensmann“ in Rehna und Schwerin?
Herr Pastor Schreiber hat durchaus Recht mit seiner Behauptung, dass die Fahrten des Martensmannes schwer zu erklären seien. Aber es lassen sich wenigstens Vermutungen aufstellen, wozu sie in alten Zeiten dienten. Nur muß man viel weiter zurückgehen, als er es tut. Wir hier in Mecklenburg haben es von Professor Wossidlo gelernt, bei alten Sagen und Gebräuchen mythologische Hintergründe zu suchen. Sollte das auch hier möglich sein.
In Rehna hier lebt heute noch ein alter Kindersingsang: „Martensmann hatt Reuben freten…“ usw. Wir wissen aber, dass die roten Rüben, die ihm auch in Schwerin beim Festschmaus bis zum Jahr 1805 vorgesetzt werden mussten, bei allen Opferfesten des wendischen Gottes Radegast eine Rolle spielten. Desgleichen war der Martinitag, an dem der Martensmann kommen musste, dem Radegast heilig. Und damit haben wir bereits eine doppelte Verbindung zwischen den Fahrten des Martensmannes und jenem Gott, der nach Professor Wossidlos Forschungen in uralten Zeiten einen Tempel auf der Schlossinsel in Schwerin hatte, und zwar wahrscheinlich genau an der Stelle, wo später auf dem Schloßhof eine christliche kleine Kapelle des heiligen Martin und des heiligen Petrus stand. Und Pastor Schreiber hat schon oben berichtet, dass der Martensmann jedes Mal mit Wagen und Pferden, an denen kein Fehl war, die also eines Gottes würdig waren, den Schlosshof dreimal umfahren musste. So deutet vieles darauf hin, daß er in uralten Zeiten alljährlich zum Opferfest des Radegast ein Faß Wein als Opfergabe zu bringen hatte, zumal es in den alten mecklenburgischen Volkssagen auch sonst „Martinsmänner“ gibt, die Opfergaben zu überbringen hatten.
Der alte Radegast aber lebt – so weit wir sehen – im Schweriner Volksbewusstsein heute noch als „Petermännchen“, dem Schutzgeist der Schlossinsel fort. Von ihm sind bisher mehr als 200 Einzelsagen bekannt, die von Professor Wossidlo gesammelt sind. Meist wird jener Geist so geschildert, daß er ein schwarzes Gewand mit rotem Mantel und einen Kragen trägt, also dieselbe Kleidung, wie der Martensmann sie tragen musste (s. Pastor Schreibers Bericht oben). Und auf einem uraltem Bild im Schweriner Schloß sehen wir neben dem Petermännchen eine große Laterne, wodurch er als Lichtbringer bezeichnet werden soll. Radegast aber war bei den Wenden der Gott des Lichtes. Dem Martensmann aber wurde bei seinem Einzug ins Schweriner Schloß auch bei hellem Tageslicht eine große Laterne vorangetragen. So werden die Beziehungen zwischen Radegast und dem Martensmann immer enger.
Was aber wollte der Martensmann Besonderes in Rehna? Denn es war uralte Vorschrift, daß er seinen Weg über unsere Stadt nehmen mußte. Und ebenso, daß er auch hier Geld auswerfen und mit roten Rüben bewirtet werden mußte. Wir erinnern uns daran, was eine frühere Nummer dieser „Rehnaer Erinnerungen“ mitteilte, daß – so weit wir wissen – auch hier einst ein wendischer Gott sein Heiligtum hatte, der noch heute als Gespenst in der Kirche fortlebt. Wenn wir nun bedenken, daß es in jenen ältesten Zeiten noch keine Gasthäuser gab, daß vielmehr jeder auf der Reise bei Bekannten blieb, so liegt die Vermutung nahe, daß der Martensmann auch hier schon bei den Tempelpriestern einkehrte und an einem Opferschmaus teilnahm, bei dem nach alter Sitte sehr scharf getrunken wurde. Wie die Kinder noch heute bei uns singen: „Dat is ken rechter Martensmann, de sick nich besupen kann.“
So weit, so gut, so interessant. Der slawische Fürstensohn Pribislaw, der den christlichen Priester niederstach, weil jener die Radegast-Statue zerstörte, lebt also weiter im Petermännchen und im Martensmann. Oder aber: Radegast selbst geistert heute noch als Petermännchen und als Martensmann herum. Beide Deutungen sind nicht weit voneinander entfernt, kann doch solch wichtiger slawischer Königssohn durchaus mit seinem obersten Gott identifiziert werden, geht es doch letztendlich um die Bewahrung alter slawischer Erinnerung, Kultur, Werte und Religion. Auch die Fragestellung nach den Wurzeln der uns bekannten Martensmann-Historie halte ich für legitim, allerdings kenne ich bislang keine wirklichen Quellen darüber, dass der 11. November dem Radegast geheiligt war und dass bei seinen Opferfesten rote Rüben eine Rolle spielten. Auch das „Wissen“ darum, dass einst auch in Rehna ein slawischer Gott samt Tempel und Priestern residierte, ist mir zweifelhaft. Eine interessante Frage allerdings stellt sich mir: was hat der Fluss Radegast mit der ebenso benannten Gottheit zu tun? Warum lagen alle slawischen Dörfer respektvoll mindestens zwei Kilometer von dem Gewässer entfernt? Die ersten deutschen Siedlungen Rehna, Holdorf und Vitense (so Peter Schlopsnies) entstanden hingegen direkt an der Radegast. So bleibt weiterhin Stoff zum recherchieren und zum Nachdenken.


5. Nachbemerkungen
Als Gemeindediakon der Evangelischen Kirchgemeinde Rehna und als Bürger der Stadt Rehna, der sich für die Geschichte seiner Stadt und Region interessiert habe ich diesen Artikel geschrieben. Dies geschah aus eigenem Interesse und dem Wunsch, dieses Thema einer breiten Öffentlichkeit unkompliziert zugänglich zu machen. Eigene finanzielle Vorteile gedenke ich aus der Arbeit nicht zu ziehen. Falls ich hier mit Zitaten und sonstigem geistigen Eigentum nicht sorgfältig genug umgegangen bin, bitte ich dies zu entschuldigen bzw. mich zu kontaktieren.
Als Christ und als kirchlicher Mitarbeiter stellt sich mir die Frage, ob die Christianisierung der Wenden wahrhaft christlich war. Dazu folgende abschließende Bemerkungen:
Im Begriff „Zwangsmissionierung / Zwangschristianisierung“ ist schon das Gegenteil dessen ausgedrückt, was dem obersten Gebot, dem Liebesgebot Jesu entspricht: dessen Kardinaltugenden sind Liebe, Verständnis und Toleranz. Selbst im Begriff „Christliche Mission“ steckt meiner Meinung nach viel böses Potenzial. Jede Religion ist als gut anzusehen, wenn sie dem einzelnen Menschen hilfreich ist und zugleich dem Mitmenschen. Also braucht nicht missioniert zu werden, wo nichts zu bessern Not tut. Lieber erst einmal den eigenen Glauben, die eigene religiöse Institution hinterfragen, erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren!
Ich weiß, dass im Zusammenhang mit der Christianisierung viel Leid über die Wenden gekommen ist. Gott möge den damaligen Fundamentalisten vergeben und uns heutige und die zukünftigen Christen vor solchen Untaten bewahren.
Ich hoffe, dass die damalige Christianisierung der Slawen ihnen insgesamt im Nachhinein mehr Gutes als Schlechtes gebracht hat. Vielleicht wurde in schwerer Geburt ein lichtheller, froher Glaube gepflanzt, wo vorher vornehmlich Ängstlichkeit vor Geistern und Göttern herrschte. Der Einzug christlicher Ethik in alle modernen zivilisierten Staaten des Abendlandes, zu denen auch die östlichen slawischen Staaten zählen, ist meines Glaubens nach ein Zeichen göttlicher Heilsgeschichte.

Diakon Matthias Krause im Juli 2008 (letzte Bearbeitung Juli/2018)







 

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