Radegast
"Radegast" - ein Flüsschen oder eine Gottheit der Slawen? Radegast - Petermännchen - Martensmann: Zusammenhänge?
Eine kleine Andacht vorweg
Liebe Glaubensgenossen, liebe Anhänger an den
einen, einzigen und unsichtbaren Gott …
Liebe Gemeindeglieder unserer verbundenen
Kirchgemeinden, ich könnte die Anrede-Überschrift noch lange erweitern
(an den dreieinigen Gott, Jahwe …), aber was soll das wohl. Wenn von
Gott gesprochen wird, dann wissen wir schon, um welchen Gott es geht.
Schließlich gibt es ja nur einen – und an den zu glauben, das ist schon
schwer genug, so ganz ohne Beweise, so ganz ohne Beschreibung. Nun,
immerhin nehmen wir an, dass er etwas mit Liebe zu tun hat, mit
Mitmenschlichkeit, mit Gnade, mit Nähe … Das alles wissen
wir, weil wir ihn durch / mittels Jesus von Nazareth erkennen. Und wir
erkennen die Züge Gottes in der Heiligen Schrift. Oder vielleicht doch
nicht? Wer sich intensiv mit der Bibel beschäftigt, der erfährt, dass
das, was die Menschen über unseren Gott dachten, einer ständigen
Veränderung unterlag, dass Jahwe wahrscheinlich einst ein Berg-Gott
einer bestimmten Gegend war, dann ein sozusagen privater Stammesgott
eines Halbnomadenstammes, oft ein zorniger Kriegsgott, dem im Psalmgebet
angetragen wurde selbst die kleinen Kinder des befeindeten Stammes an
den Felsen zu zerschmettern. Kurz: es war ein langer und mühsamer Weg,
unseren Gott, an den wir glauben, als den universalen Gott der Liebe zu
erkennen. Und es ist ein mühsamer Weg eines jeden Christen, Juden,
Moslem usw. einen guten Glauben (an einen Gott) ( – ich
setze das Wort „Gott“ hier mal in Klammern, weil es äußerst religiös ist
und damit viele Leute verschreckt; letztendlich fällt aber niemandem
ein anderes Wort dafür ein) zu entwickeln, der einem selber und allem Leben rundherum wohlgesonnen und hilfreich wirksam ist.
Na, da haben wir es doch auf eine Art recht leicht,
einen guten Glauben zu entfalten, wenngleich auch wir daran ein Leben
lang zu denken, zu knabbern und oft auch zu grübeln haben. Das mit der
Kreuzigung, das mit dem dreieinigen Gott, dazu so viele märchenhafte
biblische Geschichten …! Aber den lieben Gott und den liebenden Jesus.
Das verstehen wir irgendwie instinktiv – ja, eigentlich müsste die Welt
so liebevoll sein!
Im Namen unseres liebenden Gottes wurden im
Frühsommer dieses Jahres (2008) fünf Kinder getauft. Eine schöne
Begebenheit und eine schöne Zahl. Doch das Besondere: die Kinder wurden
mit Wasser aus der Radegast getauft. Oberflächlich betrachtet war es
ganz normales und sauberes Flusswasser. Jedoch hat es eine besondere
Bewandtnis mit der Radegast. Schon im Sommer 2007 wurden drei junge
Erwachsene nicht nur mit dem Wasser, sondern in dem Wasser der Radegast
getauft. Recht lange schon war mir bekannt, dass dieses Flüsschen den
selben Namen trägt wie der einstige Obergott und Kriegsgott der
Menschen, die vormals hier siedelten. Auch in Legenden und Bräuchen
unserer Gegend spielt der Slawengott Radegast eine bedeutende Rolle und
vermischt sich gerne mit dem Martensmann und dem Schweriner
Petermännchen. Dies veranlasste mich, mal genauer zu recherchieren, was
es mit RADEGAST so auf sich hat. Ein Slawengott, der eine
sehr interessante Entwicklung erfahren hat, ein Gott der Liebe konnte er
nicht werden. Dafür drang der christliche Glaube hierzulande dann doch
zu schnell und sicherlich zu rabiat ein.
Was bleibt? Ein hoffentlich christlich getragenes
Deutschland – und solche Feste wie das demnächst stattfindende
Martensmannfest, welches solch alte Götter wie „unseren“ RADEGAST weiterleben lässt.
Sicherlich ist das alles für Sie, liebe
Gemeindeglieder, bis an diese Stelle noch dunkles Gemunkel. Aber lesen
Sie selbst, was mir zu diesem Thema so alles auf den Schreibtisch
gefallen ist.
Die Quelle zwischen Gadebusch und Wakenstädt
Radegast – Historisches und Legendäres eines Slawengottes
1. Vorbemerkungen
2. Die Slawen
3. Die slawische Gottheit Radegast
4. Radegast, Petermännchen und Martensmann
5. Nachbemerkungen
1. Vorbemerkungen
Wer in unserer Gegend Rehna / Gadebusch wohnt, dem
begegnet zwangsläufig immer wieder der etwas unheimlich klingende Name
Radegast. Zunächst ist da unser 24 km kurzes Flüsschen, welches in zwei
Quellen östlich und westlich des gleichnamigen Dörfchens bei Krembz
entspringt. Es schlängelt sich mäanderreich durch Gadebusch über Rehna
nach Börzow und mündet dann in die Stepenitz, bevor beide vereint die
Ostsee erreichen.
Dassower See, Brackwasser, hier ist die Mündung In Gadebusch durchfließt sie den Neddersee, in Rehna wurde sie schon gegen 1150 zum Mühlenteich angestaut. Hier ein paar Bilder von unserem Flüsschen.
Dassower See, Brackwasser, hier ist die Mündung In Gadebusch durchfließt sie den Neddersee, in Rehna wurde sie schon gegen 1150 zum Mühlenteich angestaut. Hier ein paar Bilder von unserem Flüsschen.
Ein Naturlehrpfad erstreckt sich von der Quelle
entlang ein paar Kilometer entlang des Oberlaufes. Einige interessante
Schautafeln erklären u.a. die Quelle, die Pflanzen- und die Tierwelt.
Man findet den Lehrpfad, wenn man hinter der Tankstelle an der B 104
nach Wakenstädt einbiegt; nach wenigen hundert Metern ist links die 1.
Schautafel zu sehen; wenn man in die Richtung weitergeht, erreicht man
nach 10 - 15 min die Quelle.
Immer wieder münden Nebenquellen in das kleine, saubere Flüsschen. Das Wasser ist von ausgezeichneter Qualität.
Ein Nebenbächlein gesellt sich dazu.
In zahllosen Mäandern schlängelt sich die Radegast durchs Land, hier bei Holdorf.
Als Ortsname kommt Radegast nicht nur im eben
genannten Dorf vor, sondern als Kleinstadt in Sachsen Anhalt, als
Ortsteil der Stadt Dahlen in Sachsen, als Ortsteil von Bleckede im
Landkreis Lüneburg und als Dörfchen bei Satow in der Nähe von Bad
Doberan. Auch als Personennamen tritt Radegast natürlich auf; zu einer
gewissen Berühmtheit brachte es der Lehrer, Schriftsteller und
Verlagslektor Wolfgang Rohner-Radegast (1920-2002).
Schließlich und ursprünglich ist Radegast eine
slawische Gottheit. Um diese soll es in meinem Aufsatz nun auch gehen.
Um die Bedeutung dieses Gottes deutlich zu machen, möchte ich zuvor
einen kurzen Überblick über die Siedlungsgeschichte der Slawen
vermitteln, welche ja dann von den Deutschen verdrängt wurden bzw. sich
mit ihnen vermischten.
2. Das Volk der Slawen
Slawen: wohl von „Slowo“ – das
Wort / oder von „Slawa“ – der Ruhm / oder vom slawischen Stamm „Slo“-
„Sla“ – für Wasser, d.h. „Menschen vom Wasser“
Die Slawen sind neben den Germanen und den Romanen
eine der Hauptgruppen der indoeuropäischen Sprachfamilie, vor allem in
Osteuropa. Staaten mit mehrheitlich slawischer Bevölkerung sind
Russland, die Ukraine, Weißrussland, Polen, Tschechien, die Slowakei,
Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien, Montenegro, ehem. jugoslawische
Republik, Mazedonien und Bulgarien. In Deutschland gibt es die slawische
Minderheit der Sorben in der Lausitz.
In der Zeit der Völkerwanderung besiedelten die
sogenannten Elb- und Ostseeslawen ab dem 6. Jahrhundert auch unser
Gebiet: nördlich von Lübeck die Wagrier, im Bereich Wismar / Schwerin
die Obotriten (somit auch das Gebiet Gadebusch / Rehna; die Stepenitz als westliche Grenze) und mit Hauptburg in
Ratzeburg die Polaben.
Das Volk der Slawen lebte in kleinen Walddörfern.
Sie ernährten sich von der Jagd und vom Fischfang, betrieben Ackerbau
und Viehzucht, unternahmen auch Beutezüge in deutsche und dänische
Gebiete einschließlich Seeräuberei. Sie wurden von Historikern immer
wieder als friedliebend, gastfreundlich und sangesfreudig geschildert.
Nachdem die Germanen bis zum 5./6. Jahrhundert
Mecklenburg so gut wie bevölkerungsleer hinterlassen hatten, siedelte
dieses Volk, (in Sippen und Stämmen untergliedert, etwa 400 Jahre lang
ungestört in unseren Breiten.
Von Natur aus kein kriegerisches Volk, richteten
sie ihr Bestreben ledglich auf Erhaltung des Besitztes; zum Schutz
desselben dienten hölzerne Befestigungen („grad“). Die Einwohner eines
Ortes bildeten eine blutsverwandte Sippe, deren Mitglieder einen
gemeinsamen Namen trugen, gemeinschaftliches Gut bewaßen und unter einem
gewählten Ältesten standen. Aus mehreren solchen Sippen bildete sich
der Stamm, an dessen Spitze das Stammesoberhaupt (Anführer im Krieg)
stand. Die Religion war, wie bei den übrigen Indoeuropäern, eine
Naturreligion. In den Naturerscheinungen, besonders den Phänomenen des
Himmels, sah der Slawe wirkliche Wesen, wohltätige und zerstörerische.
Sie verehrten einen höchsten Gott, den Urheber des Himmels und der Erde,
des Lichts und des Gewitters, sein Name war Swarog (der Glänzende).
Seine Söhne waren die Sonne und das Feuer. Der Sonnengott (Daschborg,
Dazbog, Dabog)) war auch Kriegsgott, bei den Elb- und Ostseeslawen bekam
er später den Namen Radegast (auch Radigast oder Radigost). Daneben
existierten zahlreiche weitere Götter; als mythologische Wesen niederen
Rangen gab es die Wilen und Rusalken, Haus- und Feldgeister. Die Gunst
der Götter und deren Schutz suchten die Slawen durch Gebet und Opfer zu
erlangen. Letztere bestanden im Verbrennen von Rindern und Schafen auf
Bergen und in heiligen Hainen, wo sich auch Götterbilder befanden.
Vereinzelt gab es Tempel mit Priestern. Ansonsten oblag den
Stammesältesten die Ausübung des Kultes. Wichtige Feste waren Winter-
und Sommersonnenwende. Die Slawen glaubten an die Unsterblichkeit der
Seele, welche nach dem Tod in ein als schöne Wiese gedachtes Paradies
kommt.
Auf dem Reichstag in Goslar erhielt 1154 Heinrich
der Löwe von Kaiser Friedrich I, Barbarossa die Vollmacht „im ganzen
Lande der Slawen, soweit er selbst oder seine Vorfahren es mit dem
Schwerte und nach Kriegsrecht unterworfen hatten, Bistümer zu gründen,
zu verleihen und zu bestätigen“. Damit war die politische Voraussetzung
geschaffen, die betreffenden slawischen Gebiete ins sächsische
Herrschaftsgebiet einzugliedern. Dieses wurde sowohl mit kriegerischen
als auch mit politischen Mitteln nach und nach vollständig erreicht. Von
der slawischen Sprache rutschte nichts ins Plattdeutsche, auch die
ohnehin wenig entwickelten wirtschaftlichen und kulturellen slawischen
Dinge und Gegebenheiten fanden keine Fortsetzung in der Zukunft.
Nur noch zahlreiche Orts. Flur- und Familiennamen
sind slawischen Ursprungs, gut zu erkennen an den Endungen „in“ (Benzin,
Gammelin …) und etwas jünger „ow“ (Bülow, Carlow …). Letztere Endung
zeigt auch deutlich die Verbindung zu den o.g. slawischen Orts. und
Familiennamen in Osteuropa, die dort bekanntlich in „ow“, owa, „ov“ und
„ova“, „ev“ … vorkommt. Die Slawen wurden landläufig auch Wenden genannt
(Niederschlag in Ortnamen wie Wendorf, Wedendorf, Wendisch Waren).
Zurück zum Eindringen der Deutschen in Mecklenburg.
Nachdem sie die Überhand gewonnen hatten, machten sie sich im ganzen
Land breit. Sie brachten manch nützliche Neuerung mit. Die hölzernen
Pflüge ersetzten sie durch Eisenpflüge. Von nun an konnte man auch den
schwereren und fruchtbareren Boden bearbeiten. Statt mit Holz und Lehm
bauten sie mit Ziegelsteinen (zunächst die Kirchen und Klöster); die
Häuser waren so haltbarer und wärmer. Unbarmherzig aber rotteten sie
alles aus, was ihrer Lebensart widersprach; und sie taten es im Namen
des barmherzigen Christengottes.
Nachdem immer wieder christliche Priester die
Bekehrung der sogenannten Heiden versucht hatten, siegte die Gewalt
letztendlich und die Slawen wurden christianisiert.
3.Die slawische Gottheit Radegast
Wie schon im vorigen Abschnitt gesagt, war Radegast
der Sohn des obersten Slawengottes Swarog. Er war der Sonnen- und
Kriegsgott und hieß ehemals Svarozic (ausgesprochen Swaroschitsch),
dieser Name kann mit „Sohn des Svarog“ übersetzt werden. Bei den Elb-
und Ostseeslawen ist er der erste namentlich bekannte Gott. Später nimmt
er dort den Namen Radegast (auch Roswodiz) an. Allgemein galt er bei
den Wenden, als Gott der Ehre und der Stärke. Sein Name bedeutet
„Anführer im Krieg“;Hlawaradze, wie er auch noch heißt bezeichnet ihn
als höchsten Ratgeber; weiterhin führt er den Beinamen Zirnitra =
zauberkräftig. Das Wort radi bedeutet in der altslwischen Sprache
Fröhlichkeit und Lebenslust.
Über sein Aussehen wissen wir eigentlich nichts.
Die „Prillwitzer Fälschungen“ aus dem Jahre 1768 der Neubrandenburger
Familie Sponholz (Pfandleihhaus und Goldschmiederei), eine Sammlung von
angeblich bei Prillwitz (Südufer des Tollensesee) gefundenen kleineren
Bronzefiguren, zeigt Radegast als jugendlichen Krieger, einen Stierkopf vor
der Brust, einen Schwan mit ausgebreiteten Schwingen auf dem lockigen
Haupt und mit einer Kriegslanze in der Hand. So jedenfalls die
Beschreibung in Vollmer’s Lexikon „Mythologie aller Völker“, Stuttgart
1874. Die Prillwitzer „Idole“, auch spöttisch „Püppchen“ genannt, sind
heute meines Wissens im Besitz
des Freilichtmuseums Schwerin / Mueß. Diese Jahrhundertfälschung, 1850
vom Altertumsforscher Friedrich Lisch enttarnt, ist in der Herzog August
Bibliothek Wolfenbüttel schriftlich dokumentiert.
Prillwitzer Idol des Radegast
Bei der tschechischen Stadt Nosovice gibt es auf
einem Berg eine meterhohe Radegast-Statue, die einem Monster ähnelt.
Woher die Inspiration für diese Statue stammt, ist mir nicht bekannt;
ich gehe von der Fantasie des Künstlers aus.
Slawische Gottheiten wurden in der Regel mehrköpfig dargestellt; folgende Bilder, die slawische Gottheiten darstellen wollen, fand ich:
Ursprünglich eine zentrale Gottheit wurde er mit der Zeit einem Lokal- und Stammesgott. Er wird zu Beginn des 11. Jahrhunderts von Bruno von Querfurt und Thietmar als in der Burg Radegost (Riedigost) in Mecklenburg verehrter Gott der Redarier erwähnt. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts beschreibt Adam von Bremen einen auf einer Inselburg gelegenen Tempel dieses Gottes. Die Burg habe neun Tore und sei nur durch eine Holzbrücke mit dem Festland verbunden. Der Holztempel sei mehreren Göttern, vor allem aber dem Hauptgott Redigast geweiht. Er soll auf Tierhörnern gestanden haben und reich mit geschnitzten Symbolen verziert gewesen sein.Diese Kultstätte befand sich wahrscheinlich im ehemaligen Ort Rethra am Südufer des Tollensesees in Mecklenburg-Strelitz. Dort soll auch seine vergoldete Statue gestanden haben. Ausgrabungen haben bislang leider keine positiven Ergebnisse gehabt.
Slawische Gottheiten wurden in der Regel mehrköpfig dargestellt; folgende Bilder, die slawische Gottheiten darstellen wollen, fand ich:
Ursprünglich eine zentrale Gottheit wurde er mit der Zeit einem Lokal- und Stammesgott. Er wird zu Beginn des 11. Jahrhunderts von Bruno von Querfurt und Thietmar als in der Burg Radegost (Riedigost) in Mecklenburg verehrter Gott der Redarier erwähnt. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts beschreibt Adam von Bremen einen auf einer Inselburg gelegenen Tempel dieses Gottes. Die Burg habe neun Tore und sei nur durch eine Holzbrücke mit dem Festland verbunden. Der Holztempel sei mehreren Göttern, vor allem aber dem Hauptgott Redigast geweiht. Er soll auf Tierhörnern gestanden haben und reich mit geschnitzten Symbolen verziert gewesen sein.Diese Kultstätte befand sich wahrscheinlich im ehemaligen Ort Rethra am Südufer des Tollensesees in Mecklenburg-Strelitz. Dort soll auch seine vergoldete Statue gestanden haben. Ausgrabungen haben bislang leider keine positiven Ergebnisse gehabt.
Radegast wurde der oberste Gott der
Obotriten. Wahrscheinlich jedoch wurde er auch in anderen Stämmen
verehrt, belegt ist sein Kult bespielsweise auch für Arcona auf Rügen.
Über den Kult ist bekannt, dass diesem Gott Tier- und auch Menschenopfer
dargebracht wurden. Ein besonders großes Pferd und ein Eber, der sich
im Schlamm des Sees suhlte, wurden als Orakeltiere gebraucht.
Im Jahre 1066 wurde Radegast in seinem Heiligtum
der Kopf des Bischofs Johannes von Marienburg (heute Malbork, Polen)
geopfert. Zwei Jahre darauf wurde der Tempel zerstört. Die Legende
berichtet, dass eines Tages der slawische Königssohn heimlich zum Tempel
des Radegast schlich, um seinem Gott zu huldigen. War es auch bei
Todesstrafe verboten, das Gebäude zu betreten, so wollte doch wenigsten
in der Nähe der heiligen Stätte sein. Da hörte er aus dem Tempelinnern
Lärm. Holz splitterte und krachte. Der Prinz, alle Vorsicht vergessend,
eilte in den Tempel Böses ahnend. Entsetzt sah er, wie ein christlicher
Priester die Statue des Gottes zertrümmerte. Da wurden Zorn und
Verzweiflung in ihm so übermächtig, dass er sein Schwert ergriff und auf
den Priester einschlug. Bevor dieser die Augen für immer schloss, stieß
er einen Fluch aus:
- aber damit sind wir im nächsten Kapitel gelandet.
4. Radegast, Petermännchen und Martensmann
Der Königssohn solle sich in die Gestalt eines
hässlichen Zwerges verwandeln. Von seinem ewigen geisterhaften Leben
könne er nur dann erlöst werden, wenn ein Christensohn sein Schwert von
den Blutflecken befreite. Im selben Augenblick, als die Augen des
Priesters brachen, verwandelte sich der Prinz in einen missgestalteten
Zwerg. Die Blutflecken auf seinem Schwert aber wurden zu Rost. So sehr
sich der Zwerg auch mühte, so gewaltig er auch am Schwert rieb, die
Rostflecken ließen sich auf keine Weise entfernen. Als Geist lebt nun
der verwunschene Prinz seit vielen hundert Jahren auf der Burginsel
seiner Väter im Schweriner See und wartet auf einen unschuldigen
Christensohn, der ihn zu erlösen vermag. So mancher mühte sich ernsthaft
darum; bis zum heutigen Tage ist es jedoch noch niemandem gelungen, das
Petermännchen, wie man den zum Schlossgeist gewordenen Zwerg nannte, zu
erlösen. (nach Erika Borchhardt aus ihrem Buch „Petermännchen – Der verwunschene Prinz“).
Die Legende, deren Schluss ich hier wiedergegeben
habe, spiegelt Elemente des Widerstandes der Slawen gegen die Deutschen
und erinnert an einen der größten und dem letzten freien
Slawenführer Niklot und an seine Söhne Pribislaw (der Prinz in der
Legende) und Wertislaw, die auf der Insel im Schweriner See eine Burg
hatten.
Es gibt mehrere Sagen, die beinhalten, dass das
Petermännchen ursprünglich ein Königssohn war. Möglicher Weise und sogar
sehr wahrscheinlich sind slawische und deutsche Sagenkränze miteinander
vermischt worden. Der große Mecklenburgforscher Wossidlo deutet einige
Petermännchen-Sagen auch so, dass das Petermännchen der in einen Kobold
verwandelte Gott Radegast selbst ist, zurückgeblieben, um den heiligen
Schatz der Obotriten und die Angehörigen des Volkes zu schützen. Dieses
sieht Wossidlo ebenfalls in dem Martensmann-Brauch, der bis 1805
durchgängig fortbestand (und nun ja wieder aufgelebt ist, allerdings
ohne mythologischen Überbau).
„Diese Vermischung der Quellen für die Sagenfigur
erscheint auch in den Motiven wieder, die die Erlösungsarten des
verwunschenen Prinzen oder verwandelten Geistes ausdrücken. Da finden
sich Spuren des Glaubens an einen Lichtgott und an Blutopfer ebenso wie
Reflexe auf blutige Gegenwehr der Slawen gegen die deutschen Eroberer.“
(E. Borchhardt)
Ich zitiere nun einen Artikel von Pastor Preß, der
alten Rehnern noch persönlich bekannt war. Der Artikel erschien in der
„Mecklenburger Post / Rehnaer Zeitung“ Nr. 152, am Heilig Tag 1932:
Was wollte der „Martensmann“ in Rehna und Schwerin?
Herr Pastor Schreiber hat durchaus Recht mit
seiner Behauptung, dass die Fahrten des Martensmannes schwer zu erklären
seien. Aber es lassen sich wenigstens Vermutungen aufstellen, wozu sie
in alten Zeiten dienten. Nur muß man viel weiter zurückgehen, als er es
tut. Wir hier in Mecklenburg haben es von Professor Wossidlo gelernt,
bei alten Sagen und Gebräuchen mythologische Hintergründe zu suchen.
Sollte das auch hier möglich sein.
In Rehna hier lebt heute noch ein alter
Kindersingsang: „Martensmann hatt Reuben freten…“ usw. Wir wissen aber,
dass die roten Rüben, die ihm auch in Schwerin beim Festschmaus bis zum
Jahr 1805 vorgesetzt werden mussten, bei allen Opferfesten des
wendischen Gottes Radegast eine Rolle spielten. Desgleichen war der
Martinitag, an dem der Martensmann kommen musste, dem Radegast heilig.
Und damit haben wir bereits eine doppelte Verbindung zwischen den
Fahrten des Martensmannes und jenem Gott, der nach Professor Wossidlos
Forschungen in uralten Zeiten einen Tempel auf der Schlossinsel
in Schwerin hatte, und zwar wahrscheinlich genau an der Stelle, wo
später auf dem Schloßhof eine christliche kleine Kapelle des heiligen
Martin und des heiligen Petrus stand. Und Pastor Schreiber hat schon
oben berichtet, dass der Martensmann jedes Mal mit Wagen und Pferden, an
denen kein Fehl war, die also eines Gottes würdig waren, den Schlosshof
dreimal umfahren musste. So deutet vieles darauf hin, daß er in uralten
Zeiten alljährlich zum Opferfest des Radegast ein Faß Wein als
Opfergabe zu bringen hatte, zumal es in den alten mecklenburgischen
Volkssagen auch sonst „Martinsmänner“ gibt, die Opfergaben zu
überbringen hatten.
Der alte Radegast aber lebt – so weit wir sehen
– im Schweriner Volksbewusstsein heute noch als „Petermännchen“, dem
Schutzgeist der Schlossinsel fort. Von ihm sind bisher mehr als 200
Einzelsagen bekannt, die von Professor Wossidlo gesammelt sind. Meist
wird jener Geist so geschildert, daß er ein schwarzes Gewand mit rotem
Mantel und einen Kragen trägt, also dieselbe Kleidung, wie der
Martensmann sie tragen musste (s. Pastor Schreibers Bericht oben). Und
auf einem uraltem Bild im Schweriner Schloß sehen wir neben dem
Petermännchen eine große Laterne, wodurch er als Lichtbringer bezeichnet
werden soll. Radegast aber war bei den Wenden der Gott des Lichtes. Dem
Martensmann aber wurde bei seinem Einzug ins Schweriner Schloß auch bei
hellem Tageslicht eine große Laterne vorangetragen. So werden die
Beziehungen zwischen Radegast und dem Martensmann immer enger.
Was aber wollte der Martensmann Besonderes in
Rehna? Denn es war uralte Vorschrift, daß er seinen Weg über unsere
Stadt nehmen mußte. Und ebenso, daß er auch hier Geld auswerfen und mit
roten Rüben bewirtet werden mußte. Wir erinnern uns daran, was eine
frühere Nummer dieser „Rehnaer Erinnerungen“ mitteilte, daß – so weit
wir wissen – auch hier einst ein wendischer Gott sein Heiligtum hatte,
der noch heute als Gespenst in der Kirche fortlebt. Wenn wir nun
bedenken, daß es in jenen ältesten Zeiten noch keine Gasthäuser gab, daß
vielmehr jeder auf der Reise bei Bekannten blieb, so liegt die
Vermutung nahe, daß der Martensmann auch hier schon bei den
Tempelpriestern einkehrte und an einem Opferschmaus teilnahm, bei dem
nach alter Sitte sehr scharf getrunken wurde. Wie die Kinder noch heute
bei uns singen: „Dat is ken rechter Martensmann, de sick nich besupen
kann.“
So weit, so gut, so interessant. Der slawische
Fürstensohn Pribislaw, der den christlichen Priester niederstach, weil
jener die Radegast-Statue zerstörte, lebt also weiter im Petermännchen
und im Martensmann. Oder aber: Radegast selbst geistert heute noch als
Petermännchen und als Martensmann herum. Beide Deutungen sind nicht weit
voneinander entfernt, kann doch solch wichtiger slawischer Königssohn
durchaus mit seinem obersten Gott identifiziert werden, geht es doch
letztendlich um die Bewahrung alter slawischer Erinnerung, Kultur, Werte
und Religion. Auch die Fragestellung nach den Wurzeln der uns bekannten
Martensmann-Historie halte ich für legitim, allerdings kenne ich
bislang keine wirklichen Quellen darüber, dass der 11. November dem
Radegast geheiligt war und dass bei seinen Opferfesten rote Rüben eine
Rolle spielten. Auch das „Wissen“ darum, dass einst auch in Rehna ein
slawischer Gott samt Tempel und Priestern residierte, ist mir
zweifelhaft. Eine interessante Frage allerdings stellt sich mir: was hat
der Fluss Radegast mit der ebenso benannten Gottheit zu tun? Warum
lagen alle slawischen Dörfer respektvoll mindestens zwei Kilometer von
dem Gewässer entfernt? Die ersten deutschen Siedlungen Rehna, Holdorf
und Vitense (so Peter Schlopsnies) entstanden hingegen direkt an der
Radegast. So bleibt weiterhin Stoff zum recherchieren und zum
Nachdenken.
5. Nachbemerkungen
Als Gemeindediakon der Evangelischen Kirchgemeinde
Rehna und als Bürger der Stadt Rehna, der sich für die Geschichte seiner
Stadt und Region interessiert habe ich diesen Artikel geschrieben. Dies
geschah aus eigenem Interesse und dem Wunsch, dieses Thema einer
breiten Öffentlichkeit unkompliziert zugänglich zu machen. Eigene
finanzielle Vorteile gedenke ich aus der Arbeit nicht zu ziehen. Falls
ich hier mit Zitaten und sonstigem geistigen Eigentum nicht sorgfältig
genug umgegangen bin, bitte ich dies zu entschuldigen bzw. mich zu
kontaktieren.
Als Christ und als kirchlicher Mitarbeiter stellt
sich mir die Frage, ob die Christianisierung der Wenden wahrhaft
christlich war. Dazu folgende abschließende Bemerkungen:
Im Begriff „Zwangsmissionierung /
Zwangschristianisierung“ ist schon das Gegenteil dessen ausgedrückt, was
dem obersten Gebot, dem Liebesgebot Jesu entspricht: dessen
Kardinaltugenden sind Liebe, Verständnis und Toleranz. Selbst im Begriff
„Christliche Mission“ steckt meiner Meinung nach viel böses Potenzial.
Jede Religion ist als gut anzusehen, wenn sie dem einzelnen Menschen
hilfreich ist und zugleich dem Mitmenschen. Also braucht nicht
missioniert zu werden, wo nichts zu bessern Not tut. Lieber erst einmal
den eigenen Glauben, die eigene religiöse Institution hinterfragen, erst
einmal vor der eigenen Haustüre kehren!
Ich weiß, dass im Zusammenhang mit der
Christianisierung viel Leid über die Wenden gekommen ist. Gott möge den
damaligen Fundamentalisten vergeben und uns heutige und die zukünftigen
Christen vor solchen Untaten bewahren.
Ich hoffe, dass die damalige Christianisierung der
Slawen ihnen insgesamt im Nachhinein mehr Gutes als Schlechtes gebracht
hat. Vielleicht wurde in schwerer Geburt ein lichtheller, froher Glaube
gepflanzt, wo vorher vornehmlich Ängstlichkeit vor Geistern und Göttern
herrschte. Der Einzug christlicher Ethik in alle modernen zivilisierten
Staaten des Abendlandes, zu denen auch die östlichen slawischen Staaten
zählen, ist meines Glaubens nach ein Zeichen göttlicher Heilsgeschichte.
Diakon Matthias Krause im Juli 2008 (letzte Bearbeitung Juli/2018)
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