(Frühjahr 2006)
Liebe Gemeinde in Rehna, Kirch Grambow und Meetzen,
eine Besonderheit in unserer Kirche in Kirch
Grambow ist zweifellos die Taufe. I m 17. Jahrhundert (1625) wurde sie
geschaffen.Möglicher Weise bekam unsere Gemeinde sie in dieser Zeit von
den damaligen gräflichen Patronen geschenkt. Vermutlich übernahmen
dafür die Grafen die weitaus schlichtere mittelalterliche Granitfünte
(Taufstein) und stellten sie in den Schlossgarten Wedendorf. Mit der
Herrichtung des Schlosses vor wenigen Jahren bekam diese
mittelalterliche Kostbarkeit einen geschützteren Platz unter einem
Überbau des Schlosses.
Zu DDR Zeiten wurde dieser Taufstein als Blumenschale verwendet. Derzeit ist die Granitfünte, wie es sich gehört, gereinigt.
In unserer Kirche finden wir heute nur die
hölzerne Taufe (s. Deckblatt). Wir kennen nicht den näheren Hintergrund,
weshalb nach der Schenkung die Granitfünte aus der Kirche entfernt
wurde. Vermutlich wollte man aber damit zum Ausdruck bringen: Es gibt
nur die eine Taufe. Jeder Christ wird nur ein einziges Mal in seinem
Leben getauft. Auch wenn man die Konfession wechselt, z.B. von der
evangelischen zur katholischen Kirche übertritt, gilt die Taufe auch in
der anderen Kirche.
Gott sagt zu jedem einzelnen von uns ein für alle
Mal „Ja“ durch die Taufe. Er nimmt uns an durch seine Liebe und sagt uns
zu, dass wir durch die Taufe mit Jesus Christus verbunden sind im
Sterben und im Leben (Rö 6,3-4). Und diese Zusage der Taufe gilt und
muss nicht durch Wiedertaufen erneuert werden.
Es gilt die eine Taufe. Deshalb stehen in unseren Kirchen nicht mehrere Tauffünten, sondern nur eine.
Unsere Tauffünte in Kirch Grambow erregt bei
Besuchern rasch Aufmerksamkeit. Sie lädt ein, näher hinzusehen. Und dazu
möchte ich Sie, liebe Leser, nun auch einladen.
Unverkennbar ist, dass unsere Taufe durch den Stil
der Renaissance geprägt ist, obwohl sie erst im 17. Jahrhundert
gefertigt wurde. In Mecklenburg ereignet sich eben alles etwas später.
Getragen wird die Tauffünte von sechs sogenannten
Doppelvoluten, die sich oben und unten winden (Volute – lat. Volutus =
im Wirbel gerollt, gedreht; voluta = Schnecke).
Ebenfalls typisch für die Renaissancearchitektur
sind die auffälligen sechs Wandpfeiler (Pilaster) vor den Ecken der
Taufe. Sie haben die Form von Karyatiden (griech: „Frau aus Karyä“).
Karyatiden sind weibliche Figuren, die eine tragende Funktion inne
haben. Sie wurden in der griechischen Baukunst entwickelt –
Jahrhunderte vor Christi Geburt - und dann in der Renaissance und im
Barock wieder beliebt. Männliche Entsprechungen zu den Karyatiden
werden meist als Atlanten bezeichnet. Doch halten diese ihre Hände beim
Tragen zur Unterstützung hoch, während die weiblichen Figuren die Last
frei auf dem Kopf tragen. Unsere sechs „Frauen aus Karyä“ in Kirch
Grambow tragen die Taufschale, das Taufwasser.
Ganz besonders auffällig auf unserer Tauffünte sind die gemalten Bilder. Auf denen sind die Tugenden als Frauen dargestellt.
1. Spes - die Hoffnung (Frühjahr 2006)
In diesem Gemeindebrief möchte ich nur die eine
Tugend – die Hoffnung – näher betrachten (die anderen Tugenden werden in
späteren Gemeindebriefen thematisiert). Unter der Tugend der Hoffnung
steht das lateinische Wort für Hoffnung „spes“. Aber auch ohne den
Titel wäre die Tugend der „Hoffnung“ gut erkennbar. Drei Zeichen
(Attribute) sind der Frauengestalt zugeordnet.
1. Hinter ihrem hoffnungsvoll nach vorn gewandten
Kopf erstrahlt die Sonne. Die Sonne leuchtet als Hoffnungssymbol sofort
ein. Um wie viel mehr hoffnungsvoller und froher erleben wir die Welt,
wenn die Sonne scheint – wie jetzt im erwachenden Frühjahr. Kinder
malen, wenn sie ein schönes glückliches Bild der Natur malen,
selbstverständlich über allem eine Sonne.
Die Sonne bringt an jedem Morgen das Licht und am
Abend verschwindet sie scheinbar wieder im Totenreich, in der
Dunkelheit. Jahrtausende haben Menschen erlebt, dass die Sonne durch den
Tod – durch die Nacht – erneuert wurde. Ein Symbol.
Auch in der Ostergeschichte, die in allen Kirchen
am Ostersonntag gelesen wird, wird von dem Hoffnungszeichen, der Sonne,
erzählt:„Und sie kamen zum Grabe am ersten Tage der Woche sehr früh,
als die Sonne aufging…“ (Mk 16,2)
2. Das zweite Symbol für Hoffnung finden wir zu
Füßen der Frauengestalt: Einen Anker. Er ist seit alters ein Symbol für
Hoffnung. Denn der Anker sichert den Platz des Schiffes im Hafen, hält
das Schiff aber auch auf hoher See bei Stürmen fest.
Ansonsten würde das Schiff haltlos hin- und
hergeworfen werden. Ähnlich wäre es auch in einem Leben, in dem es keine
Hoffnung gäbe. Ohne Hoffnung wären wir allen Stürmen des Lebens,
Bedrohungen und Bedrückungen haltlos ausgeliefert. Ein Mensch gänzlich
ohne Hoffnung hat keine Lebenskraft mehr, keinen Halt. Die Bibel spricht
von der angebotenen Hoffnung durch Christus, durch seinen Tod und
seine Auferstehung, und ermahnt uns: „An ihr haben wir einen sicheren
und festen Anker unsrer Seele, der hineinreicht bis in das Innere
hinter dem Vorhang.“ (Hebräer 6,19)
3. Man muss schon noch näher hinblicken, um das
dritte Hoffnungssymbol zu erkennen. In der linken Hand hält die Tugend
einen Vogel. Leider ist er etwas verdeckt durch die Rahmung des Bildes.
Der Vogel trägt offensichtlich eine Krone. Doch was ist das für ein
Vogel ?
In der Kunstgeschichte wurde die Hoffnung immer
wieder mit einem mythischen Vogel symbolisiert: Mit einem Phönix. Auch
in der Gegenwartsliteratur spielt dieser Vogel eine wichtige Rolle. So
in den bisher erschienenen sechs Bänden von „Harry Potter“. Dieser Vogel
rettet Harry Potter gleich im ersten Band das Leben. Der Gesang des
Phönix nimmt ihm immer wieder die Angst, lässt es warm in seinem Herzen
werden und schenkt neue Hoffnung. Die Tränen des Phönix heilen tödliche
Wunden. Die Widerstandsbewegung gegen die bösen Kräfte in den Bänden
von Harry Potter nennt sich „Orden des Phönix“. In diesem Namen klingt
schon Schmerz und Verlust an, aber auch letztendlich Hoffnung auf einen
Neuanfang. Das Symbol des Phönix ist alt. Der mythische Vogel stammt
nach verbreiteter antiker Vorstellung aus Arabien oder Indien, fliegt,
wenn er 500 Jahre alt geworden ist, über den Libanon, in dessen
berühmten Wäldern er wohlriechende Kräuter (Myrrhe) sammelt, nach
Ägypten, wo er sich in einem Nest der mitgebrachten Kräuter auf dem
Opferaltar verbrennt. Nach drei Tagen ersteht er neu aus der Asche und
fliegt in sein Ursprungsland zurück. In Laufe der Kirchengeschichte
wurde der Phönix aufgrund der Umstände seines Todes und seiner
Erneuerung als Christussymbol gedeutet. Christus wird von den Feuern
der Passion verzehrt und darf am dritten Tag wieder auferstehen.
Diese Deutung des Phönix auf Christus finden wir
u.a. im „Physiologus“, einer christlichen Schrift aus dem zweiten
Jahrhundert. In dieser Schrift werden insbesondere Tiere – auch
mythische – christlich gedeutet. Da heißt es z.B. bezugnehmend auf den
Flug des Phönix in die Wälder des Libanon über Christus: „Denn vom
Himmel kommend, hat er (Christus) seine beiden Flügel mit Wohlgeruch
gefüllt, das ist mit heiligen Himmelsworten, damit auch wir im Gebet die
Hände erheben und einen geistlichen Wohlgeruch entsenden, durch einen
guten Wandel.“ Auch der „Physiologus“ beschreibt den Phönix mit einem
„Krönchen auf dem Kopf“, so wie er auf unserer Tauffünte abgebildet
ist.
Die Frau Tugend Hoffnung auf unserer Taufe in
Kirch Grambow ist also umgeben mit Symbolen der Hoffnung: Sonne, Anker
und Vogel Phönix.
Und wer in unserer Gemeinde getauft wird, möge
erfüllt werden von dieser Tugend Hoffnung – so mag es sich der Erbauer
unserer Tauffünte gedacht haben.
Die Taufe verbindet uns mit Jesus Christus, mit
seinem Sterben und Leben (Rö 6,3-4). Und das ist die große Hoffnung der
Christenheit: Aus dem Schmerz des Todes erwächst neues Leben auch bei
uns (Symbol Phönix). Das feiern wir zu Ostern. Diese Hoffnung – durch
die Taufe - kann uns Halt geben in allen Stürmen des Lebens (Symbol
Anker). Gott führt uns zum Licht (Symbol Sonne).
Ich wünsche Ihnen, liebe Gemeinde, ein hoffnungsvolles Osterfest (Frühling 2006)
2. Temperantja - Mäßigung, Mäßigkeit (Sommer 2006)
„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles nützt. Alles ist mir erlaubt,
aber ich werde mich von nichts beherrschen lassen.“
(1. Kor. 6,12)
Liebe Gemeinde in Rehna, Kirch Grambow und Meetzen,
auf
dem Deckblatt des Gemeindebriefes sehen Sie eine Frau, die aus einem
Gefäß heraus eine Pflanze gießt. Ja, das passt zum Sommer, werden Sie
vielleicht denken. Blumen gießen.
Und
doch gießen Sie gewiss anders als diese Frau ihre Pflanzen im Garten.
Die Nachbarn würden schon verwundert gucken, wenn sie dabei solche
Bewegungen vollziehen würden. Das Bild auf dem Deckblatt ist ja auch
nicht aus unserer Zeit und will nicht die gärtnerische Handlung des
Gießens erklären, sondern in der Frauengestalt eine Eigenschaft des
Menschen beschreiben.Vielleicht haben Sie das Original, des auf dem Deckblatt nachempfundenen Bildes, schon einmal gesehen. Wir finden es auf der Taufe in Kirch Grambow, welche in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts geschaffen wurde. Wieder eine dieser Tugendgestalten, wie schon im letzten Gemeindebrief beschrieben.
Unter
der gießenden Frau auf der Taufe steht in Latein: TEMPERANTJA. Ins
Deutsche übersetzt heißt dieses Wort so viel wie MÄSSIGUNG oder
MÄSSIGKEIT.
Die Tugend der Mäßigung gehört zu den vier Haupttugenden der griechisch – antiken Philosophie Platos. Das griechische Wort für Mäßigung swfrosunh setzt sich aus den Worten sws für „unversehrt“ und frhn
für „Zwerchfell“ (nach alter Vorstellung: Sitz der Seelentätigkeit)
zusammen. Ist dieses „Zwerchfell“ zerstört, ist der Mensch geistig
krank. So ist der geheilte besessene Gerasener nach seiner Heilung durch
Jesus wieder swfronounta (vernünftig, gesund oder auch gemäßigt) (s. Markus 5,15).
In der Bibel finden wir keine ausgeprägte Tugendlehre und auch nicht das Schema der 4 Kardinaltugenden. So gibt es in der Sprache des Alten Testamentes, im Hebräischen,
nicht einmal eine Entsprechung für das griechische Wort für Mäßigung.
Im Neuen Testament, das in von den griechischen Philosophen geprägten
Welt der Antike entstanden ist und selbst in der griechischen Sprache
verfasst wurde, finden wir fast nur in den späteren Pastoralbriefen die
Ermahnung zur Mäßigung, hier aber nicht als Bestandteil einer
Tugendlehre.
Erst im Laufe
der Kirchengeschichte wurden die vier Kardinaltugenden der griechischen
Philosophie für die Lehre der Kirche wichtig. Sie vermischten sich mit
dem christlichen Glauben. So lehrte der maßgebliche mittelalterliche
Theologe Thomas von Aquin, dass diese Tugenden dem Christen in der Taufe
„eingegossen“ werden.
Na, und so kamen die Tugenden auf die Taufe in Kirch Grambow.
Die
Tugend der Mäßigung wird dem Täufling durch die Taufe geschenkt. So
wollten es die Erbauer und Stifter der Taufe verdeutlichen.
Als
Sinnbild für die Mäßigung wird eine Frau dargestellt, die eine Pflanze
gießt. Maß – halten ist beim Gießen schon sehr wichtig. Wird zu wenig
Wasser gegeben, vertrocknet die Pflanze, bei einem Zuviel ersäuft sie.
Damit die Pflanze leben kann, ist das richtige Maß wichtig.
Maßlosigkeit führt ins Verderben. Wer maßlos alles isst, was er findet, wird immer dicker und krank. Wer maßlos Alkohol trinkt, wird süchtig. Wer maßlos arbeitet, wird es ebenfalls. Wer maßlos raucht, bekommt Lungenkrebs. Und wer maßlos seine sexuelle Lust auslebt, macht andere und sich unglücklich.
Mäßigkeit
oder Maß – halten ist etwas völlig anderes als Enthaltsamkeit. Es
bedeutet nicht, sich von allem abzukehren. Im Gegenteil.
„Alles ist mir erlaubt“ schreibt Paulus, den antiken philosophischen Gedanken seiner Zeit aufnehmend, „aber ich werde mich von nichts beherrschen lassen“.
Wenn das gute Maß nämlich überschritten ist, wird das „Ich“
schnell von anderen Kräften beherrscht. Dann tut der Pflanze das Wasser
nicht mehr gut, sondern dann wird das Wasser für sie zu Gift.
Ich
kann meine Triebe und Wünsche wahrnehmen und sie auch genießen, aber
„ich“ muss sie beherrschen. Wenn ich alles maßlos laufen lasse,
beherrschen meine Wünsche und Triebe bald mich, und das ist verhängnisvoll. Dann ertrinke ich darin wie eine Pflanze im Zuviel von Wasser.
„Alles ist mir erlaubt,
aber ich werde mich von nichts beherrschen lassen.“
Zu einem glücklichen Leben gehört es, dass der „Sitz der Seelentätigkeit“ unverletzt bleibt, gehört das Maß - halten.
In
Verbindung mit Jesus kann uns dieses Maß – halten im Leben gelingen. So
wollten es uns die Stifter und Erbauer der Taufe in Kirch Grambow
erzählen.
Und
biblische Geschichten wie die von der Heilung des Besessenen von Gerasa
(s. Markus 5) erzählen davon, dass die Begegnung mit Jesus helfen kann,
das richtige Maß wieder zu finden, so dass nicht Triebe, Ängste und Wünsche über mich herrschen, sondern mein „Ich“ über sie.
Ich wünsche Ihnen einen Sommer, in dem Sie die Freuden des Lebens genießen können – im rechten Maße.
Ihr Pastor Andreas Ortlieb
3. Justitia - Gerechtigkeit (Herbst 2006)
Liebe Gemeinde in Rehna, Kirch Grambow und Meetzen,
Abel
wurde ein Schafhirte und Kain ein Ackerbauer. So heißt es in einer der
Urgeschichten der Bibel. Und es geschah nach einiger Zeit, da brachte
Kain dem Herrn ein Opfer dar von den Früchten des Feldes und Abel von
den Erstlingen seiner Herde. Und der Herr schaute auf Abel und seine
Opfergabe, aber auf Kain und seine Opfergabe schaute er nicht. Da wurde
Kain ganz zornig, und sein Blick senkte sich.
Hierauf sprach Kain zu seinem Bruder Abel: Gehen wir aufs Feld ! Als sie auf dem Feld waren, stürzte sich Kain auf seinen Bruder Abel und erschlug ihn. (aus 1. Mose 4)
Die
Urgeschichte der Bibel von Kain und Abel will nicht von zwei Männern
berichten, die vor 3 000 Jahren lebten. Die Urgeschichte erzählt
vielmehr vom Urgrund unseres menschlichen Daseins. So ergeht es dem Menschen auf Erden, und so sind die Menschen von Anfang an bis heute.
„Und der Herr schaute auf Abel und seine Opfergabe, aber auf Kain und seine Opfergabe schaute er nicht.“
Dieses „nicht
schauen auf die Opfergabe“ bedeutet, dass der Segen für Kains Arbeit
ausblieb. Vielleicht liefen die Feldfrüchte Kains nicht genügend auf
oder es kam ein Unwetter, das die Ernte verringerte.
Warum der Herr nur die Opfergabe des einen ansah und nicht die des anderen,
bleibt unbeantwortet. Jedenfalls ist diese Beschreibung sehr
realistisch. In der gesamten Menschheitsgeschichte bis heute hin waren
und sind die Güter der Erde ungleichmäßig verteilt.
Kain und Abel sehen die Ursache der ungleichmäßigen Verteilung im Anschauen bzw. im Wegschauen Gottes. Ja, wer weiß ?
Der
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist aber nicht die Frage nach der
Ursache der ungleichmäßigen Verteilung der Güte(r), sondern der Blick
auf die Folge. Da Kain sich ungerecht behandelt fühlt, sieht er seinen
Bruder nicht mehr freundlich an und erschlägt ihn letztendlich auf dem
Felde, wo er sich unbeobachtet fühlt.
Ja, das Gefühl ungerecht behandelt zu werden ist bitter. Wer von uns kennt es nicht.
Wir
Eltern können gewiss ein Lied von dem Bemühen singen, alle unsere
Kinder möglichst gerecht zu behandeln. Aber nicht immer ist dies
möglich. So kann man eben nicht allen Kindern gleichzeitig zuhören. Das Kind, das warten muss, sein Bedürfnis des Erzählenwollens zurückstecken
soll, kann sich dann leicht ungerecht behandelt fühlen. Und nicht
selten schlägt dieses Gefühl des scheinbar Zurückgewiesenwerdens in
Aggression gegen das Geschwisterkind um oder in eine andere irrationale
Handlung. Wen wundert das, geht doch das Gefühl ungerecht behandelt zu
werden immer einher mit der Angst nicht genug geliebt zu werden und
damit nicht genug wert zu sein.
Kinder müssen aber in einer möglichst liebevollen Familienatmosphäre lernen, scheinbar ungerechte Situationen auszuhalten.
Denn ungerechte Erfahrungen machen wir Menschen in unserem Leben immer wieder,
und wir müssen damit umgehen. Manchmal ist es sinnvoll gegen
Ungerechtigkeit zu revoltieren, ungerechte Behandlung beim Namen zu
nennen, Schlussfolgerungen zu ziehen und sich für ungerecht behandelte
Mitmenschen einzusetzen.
Aber so manche Ungerechtigkeit muss einfach nur ausgehalten werden. Dazu zählt die Frage nach dem „Warum“. Warum
muss gerade mich dieses Schicksal ereilen, während es allen anderen so
gut geht. Da kann auch Klage vor Gott gebracht werden.
Sehen
wir noch einmal zur Geschichte. Kain hat die scheinbar ungerechte
Behandlung nicht ausgehalten und auch nicht vor Gott geklagt. Vielmehr
hat er wie ein unreifes Kind seine Aggression gegen seinen Bruder
geschleudert - tödlich. Eine völlig irrationale Handlung, die die
Situation des Kains nicht verbesserte, sondern - im Gegenteil - verschlimmerte.
Wie
oft wird wohl im Laufe der Menschheitsgeschichte das Gefühl der
ungerechten Behandlung zu Kriegen geführt haben. Und wer weiß, ob dies
nicht derzeit auch eine Triebfeder bei den kriegerischen
Auseinandersetzungen im Nahen Osten ist.
Auf
der Taufe in Kirch Grambow finden wir neben den anderen Tugenden auch
die Tugend der Gerechtigkeit (Justitia). Sie ist wieder eine
Frauengestalt, die diesmal in der rechten Hand ein Schwert hält und in
der linken eine Waage.
Kinder
und Erwachsene, die in der Kirch Grambower Kirche getauft werden,
sollen somit auch in besonderer Weise mit der Tugend der Gerechtigkeit
beschenkt werden.
Zum einen möge der Getaufte selbst ein gerechter Mensch werden. Einer, der darauf achtet, dass die Waage
seines Lebens möglichst ausgeglichen ist, der in Harmonie lebt mit
seiner Umwelt. Ein Mensch, der sich nimmt, was ihm zusteht, nicht mehr
und nicht weniger. Ein Mensch, der um Ausgleich bemüht ist. Der auch
gibt, dass die Waage wieder ins Lot kommt.
Zum anderen möge der Getaufte aber auch Gerechtigkeit immer wieder selbst an sich erfahren; dass ihm gegeben wird, so dass seine Lebenswaage wieder ins Lot kommt.
In
der Verkündigung Jesu steht Gerechtigkeit an zentraler Stelle. Er
spricht von der neuen Gerechtigkeit, die mit dem Himmelreich bzw. dem
Reich Gottes verbunden ist.
Besonders eindrucksvoll wird die Vorstellung Jesu von Gerechtigkeit in dem „Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg“ (Mat. 20).
Ein
Weinbergbesitzer suchte Arbeiter für seinen Weinberg. Früh am Morgen
verdingte er die ersten für einen festgesetzten Lohn. Jeweils um die
dritte, die sechste, neunte und elfte Stunde holte er weitere Arbeiter
vom Markplatz.
Als
dann der Abend kam, wurden die Arbeiter zur Lohnzahlung versammelt.
Zuerst bekamen diejenigen ihre Bezahlung, die erst spät geholt wurden.
Nun hofften aber die Arbeiter, die in der ganzen Tageshitze gearbeitet
haben, mehr zu erhalten als jene. Aber sie bekamen auch nur den zuvor
festgesetzten Lohn – den gleichen wie die Spätergekommenen.
Alle
Arbeiter erhielten das, was sie zum Leben brauchten. Ihre Lebenswaage
kam ins Lot. Denn so wie im Leben immer wieder Ungerechtigkeit herrscht,
war es auch zu Beginn des Gleichnisses.
Die
ersten Arbeiter hatten eben das Glück gehabt, morgens angesprochen zu
werden, die anderen erst am Abend. Normalerweise hätten die letzten den
Kürzeren gezogen. Die Waage stände wie üblich schief. Wer in Afrika
geboren wird, hat eben das Pech und erhält keine gute Schulbildung; welches Kind schwächlich gebaut ist,
bekommt in der Schule von den Mitschülern eins auf die Mütze; wer
homosexuell veranlagt ist, bildet nicht selten eine Zielscheibe für Hohn
und Aggression.
So ist es eben in der Welt: die einen sind oben in der Waagschale, die anderen unten.
Jesus
hat sich mit dieser Ungleichheit nicht zufrieden gegeben. Er sprach vom
Reich Gottes, in dem jeder genug für sich zum Leben erhält. Und dieses
Reich Gottes ist nicht irgendwo, sondern – laut Jesus – „mitten unter
euch“ (Luk 17,21).
Mitten
unter uns Menschen kann dieses Reich Gottes aufscheinen, da, wo wir
liebevoll miteinander umgehen und dafür sorgen, dass Ungerechtigkeit
beseitigt oder doch zumindest gemildert wird.
Derzeit leben wir in einer Staatsform, die dieser Vorstellung auf deutschem
Boden politisch bisher am nächsten kommt. So heißt es im Grundgesetz
der BRD: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Sein Recht kann
jeder Bürger einklagen. Für jeden in unserem Land wird eine materielle
Grundsicherung vorbehalten.
Das
sind Werte in unserer Gesellschaft, über die wir uns freuen können, die
auszubauen sind und die es auch zu bewahren gilt. In seiner „Rede über
Deutschland“ auf dem Kirchentag in Schwerin betonte Professor Richard
Schröder (Berlin), deshalb auch: „Wir haben in Deutschland erhebliche
Probleme, das ist wahr. Aber die meisten Menschen dieser Welt würden sofort ihre Probleme gegen unsere eintauschen.“
Neben der Waage hält die Tugend „Justitia“ auf unserer Taufe in Kirch Grambow auch ein Schwert
in den Händen. Das Schwert ist zum Kampf bereit nach oben gerichtet. In
der linken Hand hält „Justitia“ etwas geschützt hinter ihrem Rücken die
Waage, während ihre rechte Hand – die starke Hand – das Schwert hält.
Ihr Blick auf ein Objekt jenseits ihres Schwertes gerichtet, verrät Entschlossenheit.
Wenn
die Tage weit kürzer sind als die Nächte, die Blätter bereits von den
Bäumen gefallen sind und die Kälte mehr und mehr Einzug gehalten hat,
wird in unseren Kirchen der Ewigkeitssonntag
begangen. Wir erinnern uns zum Ende des Kirchenjahres an die Hoffnung,
die Gott noch für die ganze Welt bereit hält. In der „Brieflesung“ für
den Gottesdienst zum Ewigkeitssonntag beschreibt der Seher Johannes
seine Vision (Offenbarung 21):
„Ich
sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und
die erste Erde sind vergangen ... und Gott wird abwischen alle Tränen
von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch
Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen...“
Doch bevor der „neue Himmel“ Wirklichkeit wird, geschieht ein Gericht über die ganze Welt. Die Bibel spricht hier vom „Tag des Herrn“ (Amos 5,18) oder vom „Tag des Zorns“ (Rö 2,5).
Im Glaubensbekenntnis besinnen wir uns darauf, dass Jesus Christus kommen wird, „zu richten die Lebenden und die Toten“.
Im biblischen Buch der Offenbarung wird der kommende Christus u.a. so beschrieben „und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert“ (Offb. 1,16).
Seit
Menschengedenken geschieht auf unserer Erde immer wieder
himmelschreiendes Unrecht – dies oft im Verborgenen. Und wer Unrecht
erfährt,
sehnt sich nach Recht und Gerechtigkeit, nach Genugtuung und
Rechtfertigung. Im christlichen Glauben ist die Hoffnung lebendig, dass
es dereinst ein Gericht geben wird, das alles Unrecht offen legen wird
und eine neue Welt schafft.
Ein Symbol für dieses Gericht ist das Schwert, das auch unsere „Justitia“ in Kirch Grambow in der Hand hält.
Ich wünsche Ihnen, liebe Gemeinde, dass Sie immer wieder Gerechtigkeit im Leben erfahren. Ihr Pastor Andreas Ortlieb
4. Charitas - Liebe (Winter 2006/2007)
Liebe Gemeinde in Rehna, Kirch Grambow und Meetzen,
auch
in diesem Gemeindebrief soll wieder eine Tugendgestalt unserer Taufe in
Kirch Grambow vorgestellt werden. Diesmal ist es die „Charitas“, die
Tugend der Liebe.
Auffällig
bei dieser Frauengestalt sind die Kinder, die sich an sie schmiegen.
Die Tugend der Liebe auf unserer Taufe ist eine Mutter. Das leuchtet
ein. Denn jeder von uns, der je selbst Mutter
oder
Vater geworden ist, weiß um die besondere Liebe, die ein Kind in einem
wecken kann. Ein Kind vermehrt die Liebe, die ein erwachsener Mensch
empfindet. Es ist eine Liebe, die im Gegensatz zur partnerschaftlichen
Liebe vielmehr durch Fürsorge geprägt ist über Selbstverzicht bis hin
zur Selbstaufgabe. Welche Eltern würden nicht ihr Leben lassen für das
ihrer Kinder. Jesus sagte einmal: „Niemand hat größere Liebe als derjenige, der sein Leben lässt für die, die er gern hat.“ (Joh 15,13)
„… für
die, die er gern hat“ wird in der Regel mit „Freunde“ übersetzt. Das
griechische Wort für „Freund“ oder „Verwandten“ wird an dieser Stelle
aber aus dem Wort für „gern haben, lieben“ gebildet.
Gerade
weil wir um diese besondere Liebe wissen, die Eltern zu ihren Kindern
empfinden, sind Menschen darüber schockiert, wenn sie über die Medien
erfahren, dass Eltern ihre Kinder umbringen oder verhungern lassen. Das
passt gar nicht in unser Bild von Vater und Mutter.
Da
doch schon eher die fürsorgliche Frau auf der Taufe in Kirch Grambow.
Ihre Kinder sehen nicht verwahrlost aus oder Hunger leidend. Sie sind
schön dick. Wir mögen heute eher etwas bedenklich auf die
Fettpölsterchen der Kinder sehen. Aber sie sind Ausdruck dafür, dass die
Mutter ihre Kinder gut versorgt.
Als
ich Kind war, war es meinem Vater immer sehr wichtig, dass ich
möglichst viel esse. Für ihn, der in seinem Leben erfahren hat, was
Hunger bedeutet, war diese seine Sorge Ausdruck von Liebe.
Die
Mutter auf der Taufe in Kirch Grambow umsorgt ihre nackten Kinder. Ohne
Kleidung sind die Kinder, was bedeuten soll, dass sie schutz- und
hilflos sind. Kinder sind auf die Liebe Erwachsener angewiesen, die für
sie sorgen. Ansonsten können Kinder nicht leben.
Auf
vielen Weihnachtsbildern ist auch das Jesuskind nackt zu sehen. Das
will heißen: hilf- und schutzlos gibt sich Gott in die Hände der
Menschen.
Die
liebevolle Mutter auf der Taufe hält im linken Arm ihr Baby, das sie
stillt. Ihr größeres Kind, das offensichtlich schon etwas „fremdelt“,
versteckt sich hinter ihr. Die Tugend der Liebe gibt dem ihm Anvertrauten Schutz und Geborgenheit.
Auffällig
ist, dass dieses Bild von der Tugend der Liebe auf der Taufe in Kirch
Grambow geprägt ist durch Berührungen. Das Baby berührt die Brust der
Mutter. Die Mutter wiederum hält mit dem linken Arm ihr Baby. Mit der
Hand berührt sie seinen Po. Das Kleinkind unten berührt mit der rechten
Hand den Leib
seiner Mutter, und diese wiederum mit ihrer rechten Hand seinen Kopf.
Der Fluss der Berührungen der drei bilden gleichsam einen Kreis. Der
Kreis ist Ausdruck von Harmonie.
Liebe sehnt sich nach Berührung. Berührung kann Ausdruck von Liebe sein. Liebespaare drängt es danach.
Kinder, denen die Zuwendung durch Berührung verwehrt wird, leiden Mangel.
Der
Familientherapeut Steve Biddulph beschreibt in seinem Buch „Das
Geheimnis glücklicher Kinder“ Beobachtungen nach dem Ende des 2.
Weltkrieges. In dieser Zeit gab es infolge des Krieges Tausende von
Waisen. In unterschiedlichen Situationen wurden die Waisen aufgezogen.
Mancherorts waren von den Amerikanern Feldhospitäler eingerichtet
worden, in denen die Säuglinge in rostfreien Stahlkrippen lagen, es
absolut hygienisch zuging, und alle vier Stunden das mit Vitaminen
angereicherte Milchpulver von Krankenschwestern in blitzsauberen
Uniformen verabreicht wurde.
Andernorts
wurden die Kleinkinder einfach in Lastwagen in ein entlegendes Bergdorf
gefahren und den Dorfbewohnern überlassen. In der Gesellschaft anderer
Kinder, von Hunden, Ziegen und in den Armen der Dorffrauen wurden sie
dort aufgezogen.
Die
Sterblichkeitsrate sprach für sich. Die Kinder, die in der rauen
Dorfwelt aufwuchsen, die öfter umarmt und geschaukelt wurden, waren weit
widerstandsfähiger als die wissenschaftlich umsorgten Kinder in den
Krankenhäusern. Kinder brauchen Liebe, körperliche Zuwendung, um gesund
aufzuwachsen.
Die Kinder der Tugend Liebe auf der Taufe in Kirch Grambow werden von ihrer Mutter umarmt, liebevoll gehalten und berührt.
Zur
Liebe gehört auch das Berührtwerden. Das deutsche Wort für „rühren“
bedeutet ursprünglich „mischen, mengen“ und „berühren“ hat den Horizont
von „etwas in Bewegung bringen“. Die Berührung zweier Menschen bringt
etwas in Bewegung. Die Liebe, wenn man so sagen will, „vermengt“ mein
Leben mit dem Leben des geliebten Menschen. So vermag ich aufgrund der
Liebe mit dem anderen Gefühle teilen. Es tut auch mir weh, wenn der
geliebte Mensch leidet oder ich kann mich mit dem anderen freuen, wenn
es ihm gut geht. Das verbindet.
Da
diese Sympathie (griechisch: sym... bzw. syn = „mit“ und pathos =
„Leid“) als Folge der Liebe im Leben auch anstrengend sein kann, fällt
es Menschen immer wieder schwer, sich auf Liebe einzulassen. Unter
Jugendlichen ist deshalb auch das „cool – sein“ in. Wer cool ist, lässt sich von niemandem und nichts berühren.
Doch
der Liebende lässt sich ein auf die Welt des anderen, verbindet sich
mit dem anderen und macht sich dadurch auch verletzbar.
Dies ist nach christlichem Verständnis der Weg Gottes mit dem Menschen.
Zu
Weihnachten denken wir daran, dass Gott sich mit unserem menschlichen
Leben in einzigartiger Weise verbindet. So singen wir zu Weihnachten in
dem Lied „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“ in der vierten Strophe:
„Er wechselt mit uns wunderlich:
Fleisch und Blut nimmt er an
und gibt uns in seins Vaters Reich
die klare Gottheit dran“
Gott
verbindet sich mit dem Leben der Menschen durch seine Liebe. Gott nach
christlichem Verständnis ist alles andere als ein cooler Herrscher, der
von oben herab auf das Treiben der Menschen blickt. Vielmehr begibt er
sich in das Leben der Menschen – gleichsam verletzbar wie ein Kind. Er
liebt uns Menschen, leidet dadurch auch unsere Schmerzen mit, was ein
für alle mal sichtbar wurde am Kreuz.
Gott
ist vergleichbar mit „der Liebe“ auf der Taufe in Kirch Grambow. Auch
seine Liebe ist wie die einer Mutter oder eines Vaters zum eigenen Kind.
Ein Liebender also, der auch bereit ist, für den Geliebten sein Leben
zu lassen. Weil Gott uns so liebt, können wir ihn auch voll Vertrauen
als „lieber Vater“ anreden.
Weihnachten
berührt uns Gott zärtlich wie eine Mutter ihr Kind oder ein Vater sein
Kind. Er berührt uns und sagt damit: „Ich liebe dich, ich bin mit dir
verbunden in schweren und in schönen Stunden!“
Diese – seine Berührung – möge uns in Bewegung bringen, dass auch wir anderen Menschen in Liebe begegnen.
Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen zu Weihnachten ein Fest der Liebe, zu dem Sie Liebe erfahren und weitergeben können.
Ihr Pastor Andreas Ortlieb
Liebe Gemeinde in Rehna, Kirch Grambow und Meetzen,
in
diesem Gemeindebrief soll die fünfte Tugend auf der Taufe in Kirch
Grambow vorgestellt werden. Diese Tugend ist mit dem lateinischen Wort „Prudentia“ untertitelt. Prudentia heißt übersetzt: Weisheit.
Als
Tugend erscheint wieder eine Frau – hoch erhaben auf einem Felsen
stehend. Beim Betrachten des Bildes fällt der erste Blick wohl auf die
Schlangen, die die Frau furchtlos in der rechten Hand hält. Starr und
intensiv schaut sie diese Tiere an. Durch diesen Blickkontakt besteht
eine Beziehung, eine Verbindung zwischen der Frau und den Schlangen.
Beeindruckender
als dies ist die Tatsache, dass auf dem Hinterkopf der Frau ein zweites
Gesicht, ein älteres, zu sehen ist. Harry-Potter-Kenner werden hier natürlich gleich an den gruseligen Voldemort erinnert. Im ersten Band des Bestsellers wird erzählt, dass dessen Gesicht aus dem Hinterkopf eines Hogwart-Lehrers
herauswächst. Aber bei der Tugend Weisheit auf der Taufe in Kirch
Grambow hat dieses Doppelgesicht nichts mit Persönlichkeitsspaltung oder
Besessenheit zu tun.
Was aber wollte der Künstler dann mit der Darstellung seiner doppelgesichtigen Tugend ausdrücken?
In
der Renaissancezeit (16. / frühes 17. Jhd.), in der unsere Taufe
entstanden ist, waren die Künstler bemüht, die abstrakten Gedanken der
Antike in Bilder umzusetzen. Dabei wurden gern Personen als Sinnbilder
für die Ideen dargestellt. Die Frau mit dem Doppelgesicht auf der Taufe
in Kirch Grambow sollte die Idee der Weisheit veranschaulichen.
In
der Antike unterschied man zwischen der theoretischen Weisheit, die als
Sapientia bezeichnet wurde, und der praktischen Klugheit, die Prudentia
heißt. Für beide Arten der Weisheit wählten die Künstler auch
unterschiedliche Darstellungen. So erscheint die theoretische Weisheit
meist mit einer Fackel in der einen Hand und einem Buch in der anderen.
Doch die Prudentia – die praktische Klugheit - wurde viel
charakteristischer und eindruckvoller dargestellt: mit Schlange und vor
allem dem Doppelgesicht (selten auch drei Gesichtern)
Wir haben auf unserer Taufe also eine typische Darstellung für die Tugend Prudentia des 16. / Anfang des 17. Jahrhunderts.
Die
Tugend „der praktischen Klugheit“ ist als Doppelgesicht mit hoher
Wahrscheinlichkeit eine Schöpfung der Renaissance. Denn im Mittelalter
kommt sie so nicht vor. Die Taufe in Kirch Grambow entspricht somit dem
allgemeinen Kunstverständnis ihrer Zeit.
Doch warum haben die Künstler damals die Tugend der Prudentia mit dem Doppelgesicht dargestellt?
Dazu
muss man wissen, dass die Prudentia als praktische Klugheit verstanden
wurde, die entscheidet, was getan werden soll. Und diese Entscheidung
trifft sie aufgrund ihres Blickes in die Vergangenheit als auch in die
Zukunft. Doch welche bildliche Darstellung sollten dafür die Künstler der Renaissance wählen?
Sie
entschieden sich, die Gestalt des altrömischen Gottes Janus
aufzunehmen. Den Humanisten der damaligen Zeit war die Gestalt des
Gottes allgemein bekannt. Der zweigesichtige Janus galt als Hüter der
Tore von Himmel und Hölle oder auch des Sonnenaufgangs und des
Untergangs. Später wurde der Gott zum Gott des Anfangs, dem u.a. der
erste Monat des Jahres heilig war (Januar von Janus).
Die Künstler der Renaissance und ihre gelehrten Berater kannten sicher die Münzen der Antike mit der Abbildung des Gottes Janus, Münzen,
auf denen er sowohl mit zwei gleichen Gesichtern als auch mit zwei
unterschiedlichen Gesichtern zu sehen war, auf der einen Seite mit einem
jungen Gesicht und auf der anderen mit einem alten.
Die
Künstler der Renaissance griffen das Motiv der unterschiedlichen
Gesichter auf und interpretierten die Gestalt des Janus neu im Sinne der
Prudentia: Der
kluge Mensch ist in seinen Entscheidungen nicht abhängig von der
unmittelbaren Erfahrung der Gegenwart. Vielmehr schaut er zurück in die
Vergangenheit und nach vorn und erfasst die Dinge, die noch in der
Zukunft liegen. Und dann bestimmt er, was zu tun ist.
In
einem berühmten Buch des 16. Jahrhunderts wird ein König als klug
betitelt, der so handelt. Also ist eine Politik, die die
Klimaveränderung der kommenden Jahrzehnte im Blick hat und heute danach
handelt, klug im Sinne der Prudentia. Ebenso ist eine deutsche Politik
praktisch weise, die die Schrecken der Vergangenheit in der Nazizeit bei
all ihren Entscheidungen im Blick behält.
Auch die Weisheit auf der Taufe in Kirch Grambow hat ein junges Gesicht und ein altes. Beides, Vergangenheit und Zukunft, verbinden sich im weisen Menschen. Der naive Mensch lebt aus dem Jetzt, aus dem Bauch heraus. Der Weise behält Vergangenheit und Zukunft bei seinem Tun im Blick.
Gegensätze
verbinden sich im Weisen – nicht nur Vergangenheit und Zukunft. Ein
Humanist des 16. Jahrhundert (Charles de Bouelles) schreibt, dass der
Weise sein Gesicht von der einen Richtung zur anderen wenden und beide
Seiten gleichzeitig in sich aufnehmen soll. Weisheit besteht darin,
immer wieder beide Seiten der Medaille wahrzunehmen, sowohl schwarz als
auch weiß und nicht auf einer Seite hängen zu bleiben. Der Naive besteht
auf der einen (auf seiner einen) Blickrichtung und kann sich davon nicht lösen.
Im Glauben bedeutet das Blicken in die verschiedenen Richtungen und das Verbinden von Erkanntem, dass ich die Doppelbödigkeit der Welt wahrnehme, dass ich z.B. hinter dem Erblühen der Schöpfung im Frühling Gottes Wirken erkenne.
Wenn wir von Gott und seiner Welt sprechen,
brauchen wir immer wieder gegensätzliche Aussagen. Anders können wir
von dem für uns Unfassbaren meist gar nicht reden. So heißt es z.B.,
Jesus Christus sei sowohl ganz Mensch als auch ganz Gott. Zwei
Aussagen, die gar nicht zusammen passen. Aber um die Person Jesus
Christus erfassen zu können,
müssen diese Gegensätze zusammen kommen. Dazu braucht es diese
besondere Weisheit, die so wohl nach links als auch nach rechts blicken
kann und beide Blickrichtungen in sich zusammenführt.
Den Gedanken der Verbindung von Gegensätzen spiegelt auch das
zweite Erkennungszeichen der Prudentia auf der Taufe in Kirch Grambow wider: Die Schlange bzw. die Schlangen.
Ich erinnere mich,
wie im letzten Frühjahr durch unseren Pfarrgarten in Kirch Grambow ein
Mann ging und plötzlich laut aufschrie und das Weite suchte. Er hatte
die Schlangen entdeckt, die sich an warmen Tagen zahlreich in unserem
Garten sonnen. Unsere Familie hat sich an die Tiere etwas gewöhnt. Doch
der Mann sagte, er hätte schon Jahrzehnte keine
Schlangen
mehr gesehen und ihr Anblick hatte ihm große Angst eingejagt. Und doch
hat er danach immer wieder zu der Stelle gesehen, wo die Schlangen lagen und
fragt heute noch nach den Tieren. Seit Urzeiten schon ängstigen wir
Menschen uns vor diesen Bodenschlänglern und sind doch immer wieder von
ihnen sehr fasziniert. Das spiegelt sich zahlreich in der Mythologie, in
der Kunst aller Zeiten, in Märchen und Geschichten wider. Die Schlangen
machen uns Menschen Angst, sie faszinieren uns aber auch.
Das Besondere an der Schlange ist, dass sie Gegensätze verbindet: Zum einen bewohnt sie ein Erdloch und bewegt sich über die Erde ohne Beine fort, zum anderen schlüpft sie aus Eiern wie ein Vogel. So gilt die Schlange als Symbol der Verbindung zwischen Himmel und Erde. Sie hat einen giftigen Biss, aber ihr Gift lässt sich als Heilmittel verwenden. Somit steht die Schlange für Tod und Gesundheit. Die Schlange erscheint im ersten wie im letzten Buch der Bibel als böse Macht, als Antichrist schlechthin. Und doch kann die Schlange in der Bibel auch zum Zeichen für Christus werden. So im Johannesevangelium (3,14):
„Und wie Mose (4.Mo. 21,9) in der Wüste die Schlange erhöht hat,
so muss der Menschensohn erhöht werden,
damit alle, die an ihn glauben,
das ewige Leben haben.“
Die
Schlange verbindet in einzigartiger Weise offensichtlich unvereinbare
Gegensätze. Dies lässt sie wohl zum Symbol der Weisheit werden. Nicht
umsonst heißt es im Matthäusevangelium (10,16): „Seid klug wie die Schlangen“ - und mit der vorsichtigen Einschränkung - „und ohne Falsch wie die Tauben“.
Ein
einseitiger Blick auf mein Leben und das der anderen Menschen, ein
einseitiger Blick auf die Welt ist töricht. Der Kluge behält alle
Blickrichtungen in seinem Kopf und kann sie miteinander verbinden.
Für den Apostel Paulus konzentriert sich die Weisheit in Christus dem Gekreuzigten (1. Kor. 1,23-24). „Für die Juden ein Ärgernis und für die Griechen eine Torheit.“ Die
Geisteshaltungen, für die diese beiden Völker stehen, sehen mit einem
einseitigen Blick auf das Geschehen am Kreuz Christi. Für die Juden ist
dieses Ereignis dann nur ärgerlich und für die Griechen eine Dummheit.
Aber weil Paulus und andere Christen es geschafft haben,
in diesem schändlichen und brutalen Kreuz Christi auch eine andere
Seite zu erkennen, wurde dieses Kreuz für sie eine Segenskraft, die
Kraft Gottes:
„Wir predigen Christus, den Gekreuzigten,
als Gottes Kraft und Weisheit“
(1.Kor.1,23-24)
Weisheit
wird erkennbar durch verschiedene Blickrichtungen auf ein und dieselbe
Sache und die Weisheit schafft es dann, beides in sich zu vereinen: das
Schwere und das Heil.
Die
Tugend der praktischen Weisheit auf der Taufe in Kirch Grambow mit dem
jungen und dem alten Gesicht und den Schlangen in der Hand möchte den
Täufling ermuntern, weise auf sein Leben und das Leben der anderen und
auf die Welt zu blicken: Rückwärts gewandt immer wieder auf das
Heilsgeschehen in Kreuz und Auferstehung Christi, das wir zu Ostern
feiern, und nach vorn blickend auf das Heil, das uns von Gott bereitet
ist. Und das sollte sein Tun bestimmen. Denn die Prudentia ist ja eine praktische Weisheit.
Ich
wünsche Ihnen, lieber Leser, die Weisheit das Leben und die Welt immer
wieder von verschiedenen Seiten aus betrachten zu können.
Eine gesegnete Osterzeit wünscht Ihnen Pastor Andreas Ortlieb
6. Fortitudo - Tapferkeit (Frühjahr 2008)
Liebe Gemeinde in Rehna, Kirch Grambow und Meetzen,
wer
von Ihnen in den letzten Jahren aufmerksam die Gemeindebriefe gelesen
hat und die Taufe in Kirch Grambow kennt, wird sich vielleicht gefragt
haben: Da fehlt doch noch etwas?
Fünf
von den auf der Taufe abgebildeten Tugenden sind in den Gemeindebriefen
vorgestellt worden: Im Frühjahr 2006 die Hoffnung, im Sommer 2006 die
Mäßigkeit beziehungsweise Mäßigung, im Herbst 2006 die Gerechtigkeit, im
Winter 2006/2007 die Liebe und im Frühjahr 2007 die Klugheit.
Die
sechste Tugend, die auf der Taufe dargestellt ist, wurde bisher noch
nicht vorgestellt. Sie ist auf der Taufe untertitelt mit dem
lateinischen Wort„FORTITUDO“. Fortitudo wird meist übersetzt
als„Tapferkeit“.
Wie
auch die anderen Tugenden steht die Tugend der Tapferkeit in Beziehung
zu den übrigen Tugenden. Somit kann Tapferkeit nicht losgelöst auf den
eigenen Vorteil ausgerichtet verstanden werden. Die Tugend der
Tapferkeit wird unter anderem so bestimmt durch die Tugenden der
Klugheit, der Gerechtigkeit und letztendlich auch der Liebe.
Tapferkeit als Tugend untersteht somit höheren Werten als der eigenen Ich-Bezogenheit.
Mut
stellt das Gegenteil von Angst dar. Die Tapferkeit hingegen ist ein
Mut, der die Angst kennt, sie aber überwindet. Auch unterscheidet sich
Tapferkeit grundlegend von Tollkühnheit. Die Tollkühnheit blendet die
Gefahr und die damit verbundene Angst aus und geht unklug ein Risiko
ein.
Als
tapfer erweisen möge derjenige sich, der in unserer Taufe in Kirch
Grambow getauft wird. So wünschten es die Auftraggeber für unsere Taufe
um das Jahr 1625.
Bei
der Jahreszahl für die Anfertigung unserer Taufe – 1625 – leuchtet die
Zeitgeschichte auf. Als unsere Taufe fertig gestellt war, tobte in
Europa bereits seit sieben Jahren einer der schrecklichsten Kriege. Ein
Krieg, der auch unseren Landstrich fast völlig entvölkerte und die
Wiesen und Felder als Brache zurückließ. Die
ersten Jungen, die man in unserer Taufe taufte, wurden, wenn sie
überhaupt das entsprechende Alter erreichten, noch als Soldaten für
diesen Krieg eingezogen.
Wie
klang Tapferkeit in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges? Am häufigsten
wird dieses Wort im Zusammenhang mit Soldaten genannt, die ihre Aufgabe
erfüllen. Sie müssen tapfer ihren Dienst leisten. Sie sind dabei in
ihrer Entscheidung nicht frei.
Das Wort tapfer steht oft im Zusammenhang mit einer Situation, die wir uns nicht ausgesucht haben. So heißt es mitunter in Todesanzeigen:
„Nach
tapfer ertragener schwerer Krankheit …“. Tapfer erdulden Kinder den
Verlust eines Elternteils, tapfer schlagen sich Eltern durchs Leben,
wenn ihr Sohn einer Sucht verfallen ist, tapfer erträgt einer sein Los
blind zu werden und ein anderer die Alzheimer Krankheit seines
Lebenspartners.
Ein Beispiel für Tapferkeit, woran wir uns orientieren können, gibt uns Jesus. So in der Geschichte, die in die gegenwärtige Passionszeit
gehört. Jesus zieht sich unmittelbar vor seiner Gefangennahme zum Gebet
im Garten Gethsemane zurück. Er weiß von der Gefahr, die ihm droht und
spürt die Angst in sich. Deshalb betet er zu Gott, den er hier Abba,
übersetzt „Papa“, nennt: „Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm
diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst geschehe!“
Tapfer
geht Jesus seinen Weg. Er ist nicht tollkühn und übersieht deshalb
nicht die Gefahr. Jesus nimmt die Aufgabe seines Lebens wahr und packt
sie tapfer an. Er ergreift nicht die Flucht, macht keinen Rückzieher, widerruft nicht.
Der
Blick auf Jesus half Christen jahrhundertelang bei ihren eigenen
Lebensaufgaben tapfer zu sein. Sei es, dass sie Zeiten der eigenen
Trauer und Not tapfer durchstanden oder dass sie sich tapfer der
Dummheit, der Ungerechtigkeit und der Lieblosigkeit ihrer Zeit
entgegenstellten.
In
der Bibel wird Tapferkeit nicht nur als menschliche Leistung
verstanden, sondern letztlich als Gabe Gottes. Gott stärkt den Menschen,
so, dass er tapfer sein Leben und die Aufgaben, die vor ihm liegen, bestehen kann.
„Gottes Kraft ist in dem Schwachen mächtig“, heißt es da (2. Kor 12,9).
Sehen
wir uns die Person der Tugend Tapferkeit auf der Taufe in Kirch Grambow
näher an: Ihr Blick ist entschlossen. Auf der Schulter trägt sie eine
Säule. Die Säule ist ein typisches Symbol für die Tugend Tapferkeit.
Denn
die Säule ist Sinnbild für Festigkeit und tragende Kraft. Der mit der
Tugend Tapferkeit ausgestattete Mensch findet also Halt, sich der
Verzweiflung, der Dummheit und der Lieblosigkeit entgegenzustellen.
Wie am Anfang bereits geschrieben,
stehen die Tugenden in einer engen Beziehung zueinander. So gibt die
Tugend Hoffnung der Tapferkeit Halt. Weil wir mit Blick auf Ostern
hoffen können, dass Gott die Welt zum Licht, zur Auferstehung führt,
hilft dies auch uns, tapfer unsere Lebensaufgaben zu bestehen.
Als Tugend ist die Tapferkeit auch mit den anderen Tugenden wie der Liebe, dem Maß-halten und der Klugheit verbunden. So ist jemand,
der sich zum Wohle anderer einsetzt und dabei klug und besonnen
vorgeht, tapfer im Sinne der Tugenden. Wer aber z.B. mit dümmlicher
rechtsradikaler Gesinnung scheinbar furchtlos andere Menschen angreift, ist nicht tapfer, weil ihm die Liebe, die Klugheit und das Maß fehlen.
Auf
der Taufe in Kirch Grambow sind sechs von den sieben klassischen
Tugenden dargestellt. Zu den sieben Tugenden zählen die vier
Kardinaltugenden oder Grundtugenden, die bereits im griechischen
Altertum zusammengefasst wurden (5. Jhd. vor Christus): Klugheit,
Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. Erst ein paar Jahrhunderte nach
Christus wurde der Satz des Paulus „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung,
Liebe, diese drei …“(1.Kor. 13,13) als Beschreibung der drei
christlichen Tugenden verstanden.
Die vier weltlichen Tugenden der klassischen Antike wurden mit den drei christlichen Tugenden verbunden (4+3=7).
Das war eine Zusammenstellung, die ganz dem Symbolgeschmack
mittelalterlicher Theologen entsprach. Denn die 4 ist die Zahl der Welt.
So gibt es unter anderem vier Himmelsrichtungen. Die 3 ist die Zahl des Himmels. Gott wird in drei Personen gedacht.
Somit verbinden sich Erde und Himmel in dem Menschen, der die sieben Tugenden lebt. Die Zahl Sieben ist die Zahl der Vollendung oder Vollkommenheit. So hat Gott z.B. die Welt in sieben Tagen erschaffen.
Der Mensch, der die sieben Tugenden lebt, ist also allein von der Zahlensymbolik her als ein vollkommner Mensch zu verstehen.
Der maßgebliche Theologe des Mittelalters, Thomas von Aquin (13. Jhd.),
legte dar, dass die Tugenden dem Christen bereits in der Taufe als
grundlegende Befähigung „eingegossen“ werden. Die Fähigkeit die Tugenden
leben zu können ist von daher ein Geschenk.
Spätestens
seit Thomas von Aquin gibt es also eine ganz enge theologische
Verbindung zwischen der Tugendlehre und der Taufe. Und das ist gewiss
der Grund, warum die Tugenden auf unserer Taufe in Kirch Grambow
dargestellt sind. Die Tugenden werden dem Täufling gleichsam in der
Taufe geschenkt.
Merkwürdig ist allerdings,
dass von sieben Tugenden lediglich sechs auf der Taufe zu finden sind.
Eine Tugend fehlt unter den Frauengestalten. Und das ist ausgerechnet
die Tugend des Glaubens. Warum haben die
Künstler,
die dereinst unsere Taufe geschaffen haben, ausgerechnet den Glauben
als Tugendgestalt ausgelassen? Vergleichbar mit anderen Darstellungen
der Renaissance hätte diese Frau als Symbol ein brennendes Herz, ein
Kreuz oder eine Bibel beigefügt bekommen.
Es ist doch gerade der Glaube, der die Hoffnung und die Liebe lebendig werden lässt und damit auch im christlichen Sinn die anderen vier Tugenden? Aber warum fehlt gerade die Tugend des Glaubens auf unserer Taufe?
Eine eindeutige Antwort darauf finde ich nicht. Nur Vermutungen.
Eine
dieser Vermutungen nimmt den Glauben als zentrale Tugend für die Taufe
ernst. Da der Glauben mit den anderen Tugenden nicht gleichgeordnet
werden soll, wird diese Tugend auch nicht mit den anderen auf der Taufe
in einer Reihe sozusagen abgebildet. Somit könnte die Tauffünte
insgesamt für die Tugend des Glaubens stehen.
Durch die Taufe wird in dem Täufling der Glauben geweckt, der in ihm die anderen Tugenden lebendig werden lässt.
Ja,
wir haben da schon eine ganz besondere Taufe in Kirch Grambow. Fast
vier Jahrhunderte lang wurden und werden Kinder zu dieser Taufe
gebracht, kamen und kommen Menschen zu ihr wie auch in diesem Jahr
wieder am Ostersonntag.
Getauft wurden und werden sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, so,
dass der Glauben in ihnen lebendig wird und sie in Hoffnung und Liebe
leben können, voller Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Tapferkeit.
Eine gesegnete Passions- und Osterzeit wünscht Ihnen Pastor Andreas Ortlieb.
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